Danke, liebe Pressekonzerne!

Gespenstig mutet an, wie deutsche Ministerpräsidenten mit Medienlobbyisten und Pressekonzernen um die Zukunft öffentlich-rechtlicher Internetangebote ringen. Michael Hanfeld malt in der heutigen FAZ, ganz Lobbyist in eigener Sache, Horrorszenarien einer öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Presse (im Internet) an die Wand.
Dabei ist es doch so, liebe Pressekonzerne: Im Internet kann und darf jeder publizieren. Und viele tun es auch. Die klassische Pressefreiheit, wie Ihr sie zu verteidigen versucht, ist war die Freiheit des Besitzers einer Druckpresse, seine Meinung ungehindert zu Papier bringen und verbreiten zu lassen. Im Internet hat jeder seine Wörterpresse.
Sind Eure Internetangebote wirklich so schlecht, dass Ihr jede Konkurrenz, insbesondere aus öffentlich-rechtlichen Häusern, fürchten müsst? Sodass deren Angebote unter Eurem Druck und durch politischen Beschluss verkrüppelt werden müssen?
Danke, liebe Pressekonzerne! Wir werden nicht vergessen, dass wir es Euch zu verdanken haben, wenn die von unseren Gebühren finanzierten TV-Sendungen nur sieben Tage lang im Web abrufbar sind und die öffentlich-rechtlichen Websites voll sendungsbegleitender Langeweile vor sich hin dümpeln.
Ihr glaubt, das nutzt Euch? Weit gefehlt! Dann gehen wir eben woanders hin.

Apple goes Enterprise 2.0

Vielleicht die beste Nachricht der Apple-Entwicklerkonferenz WWDC verbarg sich in der ersten Vorankündigung für die nächste Betriebssystemgeneration 10.6 („Snow Leopard“):

For the first time, OS X includes native support for Microsoft Exchange 2007 in OS X applications Mail, iCal® and Address Book, making it even easier to integrate Macs into organizations of any size.

Zu deutsch: Irgendwann im nächsten Jahr hat Entourage ausgedient. Auch wenn ich mich inzwischen damit angefreundet habe – die hauseigenen Produkte von Apple sind einfach besser:

Microsoft Entourage, the „Outlook“ for the Mac, is proof that you can develop awful Mac applications.

Doch Scherz beiseite. Die eigentliche gute Nachricht ist, dass Apple endlich beginnt, auch Unternehmen als Kunden ernstzunehmen, die keine Design-, Werbe-, Interaktiv- oder sonstigen Agenturen sind.

Social Network zum Mitnehmen

Die gestrige Stevenote habe ich bei MacRumorsLive.com auf dem E61i verfolgt, während ich etwas gegessen, Fußball und Tagesschau gesehen und die Kinder ins Bett gebracht habe. Das automatische Nachladen hat meistens funktioniert.
Neben Nettigkeiten wie iPhone 2.0 und MobileMe ließ His Jobness auf der großen Bühne auch Loopt präsentieren. Loopt zeigt auf dem Mobiltelefon an, wo sich meine Freunde gerade aufhalten und was sie dort tun. Ein social network to go, sozusagen. Bis jetzt allerdings nur in den USA erhältlich.
Wir Europäer haben andere Mittel und Wege zum gleichen Zweck und Ziel. Als da wäre

  1. Plazes, der Klassiker ortsbezogener Dienste aus deutschen Landen, schon 2004 von Stefan Kellner und Felix Petersen gegründet und seitdem mehrfach gehäutet. Plazes erfasst meinen aktuellen Aufenthaltsort und teilt ihn der Weltöffentlichkeit mit, insbesondere aber meinen dortigen Kontakten. Seit etwa einem Jahr stellt Plazes außerdem die Twitter-Frage: „What are you doing?“

    Der twittereske Aspekt ist allerdings bis jetzt eher unterentwickelt, denn anders als bei Twitter fand sich für Plazes keine Community, die dort zu kommunizieren gedenkt. Der technische Kern von Plazes ist die Software Plazer, die meinen aktuellen physischen Netzzugang erkennt und einem konkreten geografischen Ort zuordnet.

    In der nächsten Iteration, derzeit in der Closed-Beta-Phase (mehr dazu hat Stefan Kellner auf der next08 gesagt), wird Plazes sich neben gegenwärtigen und vergangenen stärker auf die zukünftigen Aufenthaltsorte fokussieren. Die Reise- und Terminplanung im Web 2.0 ist jedoch bis dato eher die Domäne von

  2. Dopplr, einem Reiseplanungswerkzeug für häufig reisende Geschäftsleute mit webzwonulligen Ambitionen. Dort lege ich Reisen an und sehe die Pläne meiner Mitreisenden, was mehr oder weniger spontane Treffen durchaus erleichtert. Plazes und Dopplr sprechen bis jetzt nicht miteinander, was schade ist, da Plazes meinen derzeitigen Aufenthalt kennt und Dopplr meine Pläne. Dieses und ähnliche Kommunikationsprobleme zu lösen ist
  3. Fire Eagle angetreten. Der Feueradler von Yahoo nimmt meinen Aufenthaltsort entgegen und verteilt ihn an andere Dienste weiter, natürlich mit allem nur denkbaren Datenschutzklimbim. Fire Eagle fliegt derzeit nur auf Einladung, spricht aber bereits mit Plazes (auf der Eingabeseite) und Dopplr (auf Eingabe- und Ausgabeseite), zwei von bis jetzt zwölf Anwendungen in der Galerie. Dazu gehört auch
  4. Brightkite, ein location-based social network. Auch eine Art ortsbezogener Twitter, ähnlich wie Plazes, dem ich allerdings selbst sagen muss, wo ich bin. Brightkite erfährt zwar von Fire Eagle, wo ich mich gerade aufhalte, fängt allerdings mit dieser Information bis jetzt reichlich wenig an. Und da Brightkite sich noch in geschlossener Beta befindet, ist auch mein Freundeskreis noch recht überschaubar.

Der Nutzen all dieser schönen Dienste steht und fällt mit den aktiven Nutzern, die sich dort tummeln. Je höher der Durchdringungsgrad in meinem persönlichen Umfeld, desto größer der Nutzen für mich. Dieser Zusammenhang ist indes trivial und gilt für alle Internetinnovationen seit der Erfindung der E-Mail.
Fire Eagle könnte das Drehkreuz für alle ortsbezogenen Webdienste werden. Plazes hat momentan den größten Funktionsumfang in unserem Vergleich und bietet fast alles, was entweder Dopplr oder Brightkite auch anbieten. Nur in punkto Community schwächelt Plazes nach wie vor.

Neuer Player für Videos der next08

Die Videos der next08 lassen sich jetzt besser einbinden, zum Beispiel in Blogs wie dieses. Exxplain hat für diesen Zweck einen schlankeren Player entwickelt.
Die Videos spielen nicht von selbst, sondern müssen manuell gestartet werden. Der neue Code ist jetzt unter jedem Video auf der Konferenzwebsite zu finden.
Wie das aussieht, sei hier am Beispiel des von Sascha Lobo moderierten Elevator Pitch demonstriert – für mich ein echtes Highlight des Tages.

Warum Friendfeed den Markt verändert

Ob Friendfeed das nächste große Ding ist oder nicht, ist zwar eine spannende Frage. Wir in Deutschland müssen uns aber vorerst nicht damit beschäftigen.
Denn erfahrungsgemäß benötigen solche bahnbrechenden Technologien ein Jahr für den Weg über den großen Teich. So brauchte Twitter – gestartet 2006, groß herausgekommen 2007 auf der SXSW und der next07 – bis zur re:publica08, um die hiesige Webszene zu durchdringen.
Und auch Friendfeed – gestartet 2007, groß herausgekommen auf der SXSW in diesem Jahr – wird bis zur re:publica09 brauchen, um im deutschen Sprachraum Fuß zu fassen. Das ist nicht weiter schlimm, sondern entspricht deutschen Tugenden wie Gründlichkeit, Fleiß und Disziplin. Nur nichts überstürzen, erst einmal prüfen, gründlich überlegen und sorgfältig planen.
Schauen wir uns in der Zwischenzeit einmal an, wie Friendfeed meine Webmediennutzung verändert hat.
Am 19. April 2008 hat Friendfeed den Google Reader als Startseite auf meinem E61i verdrängt. Twitter hatte das übrigens nicht geschafft. Und das, obwohl Twitter eine sehr brauchbare und von mir intensiv genutzte mobile Version hat und Friendfeed keine, von fftogo.com einmal abgesehen.
Warum Friendfeed? Friendfeed liefert Neues, Interessantes und Spannendes – die Micromemes des Tages – von meinen Netzbekannten. Nicht nur, was sie bloggen oder twittern. Sondern auch, was sie bei del.icio.us speichern und im Google Reader interessant finden. Nebenbei erfahre ich noch, welche Musik sie bei last.fm mögen oder was sie auf den Amazon-Wunschzettel setzen.
Facebook hat das Konzept Newsfeed popularisiert, aber Friendfeed dreht das Rad ein gutes Stück weiter. Bis jetzt sind aggregiert Friendfeed 35 Dienste – weit mehr als Facebook. Und Friendfeed hat Kommentare zu jedem Link. Hört sich trivial an, fügt aber eine neue Interaktionsebene hinzu.
Denn erstaunlicherweise wird bei Friendfeed eifriger kommentiert als an der Quelle selbst. Es ist eine höchst kommunikative Umgebung. Dazu trägt ein simpler Trick bei: Jeder neue Kommentar bringt einen Link inklusive des Diskussionsfadens (Thread) wieder auf die Startseite zurück. Erfreuliche Nebenwirkung: Die heißen Geschichten stehen immer vorn.
Für mich ist deshalb jetzt Friendfeed Pflicht. Twitter und Google Reader streiten sich um den zweiten Rang in meiner Mediennutzung. Die Nase vorn hat bis dato Google Reader, weil dort alle Informationsströme zusammenlaufen. Denn selbstverständlich hat Friendfeed einen RSS-Feed. Und ebenso selbstverständlich habe ich den im Google Reader abonniert.
Facebook übrigens hat in letzter Zeit deutlich nachgelassen. Friendfeed hat zwar eine Facebook-Anwendung, aber Facebook wird bis jetzt nicht von Friendfeed aggregiert. Besteht da ein Zusammenhang?
Hier mein Profil bei Friendfeed.

Die Zukunft des Musikgeschäfts

Dr. Stefan Glänzer, Gründungsinvestor und früherer Executive Chairman von last.fm spricht nach seinem next08-Vortrag über Musik als Bestandteil von Kommunikation und stellt die These auf, dass Musik in Zukunft für jedermann frei zur Verfügung stehen wird. Die Musikindustrie müsse sich neue Einnahmequellen neben dem klassischen CD-Geschäft erschließen, so die nicht ganz neue Schlussfolgerung Glänzers.
Er verweist auf den einzelnen Musiker als kreative Quelle des Musikgeschäfts und spricht über eine neu entstehende Kultur des Musikschaffens durch die neuen Möglichkeiten rückkanaliger mobiler Aufnahme- und Distributionsgeräte. last.fm basiere auf dem Motto „get realtime“, so Glänzer.

Bereits zur next07 sprach Glänzer über individualisiertes Radiohören.

Wie ich das Web lese

Das Live Web hat meine Lesegewohnheiten, mindestens was Nachrichten betrifft, deutlich verändert. Seit der Erfindung von RSS & Co. kommen die Neuigkeiten im Web zu mir. Ich muss nicht mehr zahllose Websites abklappern, der Google Reader reicht. Und Twitter. Beides ging vor allem zu Lasten der Mail.
Was hat sich im Detail verändert?
Ich lese nur noch Feeds. Mein Webmedienkonsum findet inzwischen zum größten Teil im mobilen Google Reader auf dem E61i statt. Was auch bedeutet: Ohne RSS-Feed geht gar nichts mehr. Wer heute keinen Feed anbietet, ist per definitionem irrelevant.
Ich lese viele Feeds. Google Reader zeigt sie in letzter Zeit nicht mehr an, es müssen aber inzwischen mehr als 1.000 sein zählt derzeit 1.199 Stück. Denn ich abonniere einfach jeden Feed, der mich interessiert. Feeds fressen kein Brot, und selbstverständlich lese ich nicht alles, noch nicht einmal die Überschriften.
Ich bestelle Feeds nur selten wieder ab. Viele Feeds sind längst tot, weil das Blog inzwischen gestorben oder umgezogen ist, seinen Dienst eingestellt oder die Plattform gewechselt hat. Egal. Die Abonnements zu verwalten lohnt sich nicht.
Jeder Feed bekommt mindestens einen Tag. Naja, im Idealfall. Denn leider kann der mobile Google Reader keine Feeds mit Tags versehen, und so sammeln sich immer mehr Feeds ohne Tags in meiner Liste. Und da es sich nicht lohnt, sie zu verwalten, bekommen sie auch später nur ausnahmsweise einen Tag nachgereicht.
Ich lese keine Blogs, sondern Tags. Also Gruppen von Blogs. Wie auch immer sich diese Gruppen zusammensetzen. Hier zum Beispiel sind alle Beiträge aus Blogs mit dem Tag Fischmarkt. Im Idealfall sollten das die Blogs sein, die ich für den Fischmarkt lese.
Ich abonniere Meta-Feeds: Suchfeeds von Technorati oder Google zu diversen Suchbegriffen, Dienste wie Techmeme, Rivva oder Digg. Das erhöht die Chance, nichts Wichtiges zu verpassen.
Ich lese immer nur das Neueste. Denn ich habe ja nicht unbegrenzt Zeit. Also schaue ich in der Listenansicht – im mobilen Google Reader gibt es ohnehin keine andere Möglichkeit – die jeweils jüngsten Überschriften durch und klicke auf das, was mich interessiert.
Alles Empfehlenswerte empfehle ich. Das geht mit einem Klick. Die Liste der von mir empfohlenen Links gibt Google Reader wieder als Feed aus. Diesen Feed lasse ich per Twitterfeed an meinen Twitter verfüttern. Die fünf jüngsten Empfehlungen stehen in der rechten Spalte unter „Anderswo aufgelesen“.
Ich recherchiere in der Suche von Google Reader. Meine mehr als 1.000 Feeds sind eine hervorragende Datenbasis – es sind meine bevorzugten Quellen. Die Suche von Google Reader ist eine personalisierte Suchmaschine.
Was noch fehlt, sind lokale Nachrichten. Der mobile Google Reader auf dem E61i steht morgens am Frühstückstisch im harten Wettbewerb mit der Lokalzeitung. Zwar war das Altländer Tageblatt seinerzeit plietsch genug, die Domain tageblatt.de zu registrieren. Aber damit endete dann auch die Innovation.
Als Abonnent könnte ich zwar Zugang zu irgendwelchen Premium-Nachrichten bekommen, aber das war mir bis jetzt immer zu kompliziert. Außerdem gibt es dort keinen RSS-Feed. Und der RSS-Feed liefert nur Nachrichten für Abonnenten. Damit hat sich das Thema wohl erledigt.
Starke Konkurrenz ist dem Google Reader inzwischen mit dem mobilen Twitter erwachsen. Dort lese ich nun auch schon 292 Twitterati, also etwa ein Viertel 557, also fast die Hälfte meiner RSS-Feeds.
Bei Twitter liegt zwar der Fokus eher auf den Menschen als auf den Nachrichten. Doch die wirklich wichtigen Nachrichten kommen mittlerweile schneller über Twitter als über RSS-Feeds herein.
Den kontinuierlichen Nachrichtentakt in meinem Twitter schlägt die Tagesschau. Dazu kommen Rivva, Techmeme und vermutlich noch weitere eher nachrichtenorientierte Tweeter, die ich jetzt vergessen habe.
Nachtrag: Diesen Text habe ich im März 2008 geschrieben. Inzwischen hat Friendfeed Einzug in meine tägliche Mediennutzung gehalten, zu Lasten von Twitter und Google Reader. Doch dazu später mehr.