Die Agenturen verkennen die Bedürfnisse ihrer Angestellten. Am Fachkräftemangel sind sie selbst schuld, weil sie praktisch keine Anreize mehr bieten. Johannes Kleske, seit einem knappen Jahr als festangesteller Information Architect bei Neue Digitale in Frankfurt beschäftigt, geht mit unserer Branche hart ins Gericht.
Die meisten Personaler in Agenturabteilungen glauben immer noch, dass die Agenturbranche sexy genug sei, um das als einziges Argument für einen Arbeitsplatz in einer Agentur anzuführen, denn mehr hat man derzeit einfach nicht zu bieten. Für den Arbeitsplatz bekommt man dann schlechte Bezahlung, massive Überstunden und den Burnout mit Anfang vierzig.
Nach dem Zusammenbruch der New Economy habe man es verpasst, in den Nachwuchs zu investieren.
Der geht dann heute lieber direkt in die Industrie, weil er dort mehr Geld bekommt, kaum Überstunden machen muss und bessere Aufstiegschancen hat. Oder man wird gleich Freelancer. Nie waren die Umstände dafür so günstig. Man kann fast nach Belieben die Tagessätze diktieren, weil den Agenturen die Alternativen fehlen.
Gut gebrüllt, Löwe. Doch das Agenturgeschäft hat seine eigenen Gesetze. Und diese Gesetze bestimmen die Arbeitsbedingungen der Angestellten (wie auch der Freelancer).
Freelancer können auf lange Sicht nicht mehr verdienen, als die Agenturkunden zu zahlen bereit sind, abzüglich des Teils, den die Agentur braucht, um ihre Fixkosten zu decken. Auch zu Zeiten großer Nachfrage nach Agenturdienstleistungen und entsprechend hoher Auslastung können Freelanceranteil und Tagessätze nicht unbegrenzt steigen, ohne die Rentabilität des Agenturgeschäfts zu gefährden.
Ähnliches gilt für die Gehälter der Festangestellten und die übrigen Leistungen. Das Agenturgeschäft schwankt in verschiedenen, kurzen und langen Zyklen. Die Entlohnung schwankt weniger stark bis gar nicht. Agenturangestellte verdienen daher in guten Zeiten tendenziell zu wenig, in schlechten Zeiten sieht das indes anders aus.
Das Agenturgeschäft wird nicht zuletzt von der Kundennachfrage getrieben. Das gilt kurz- wie langfristig. Pitches, Meilensteine und Ablieferungstermine beeinflussen Feierabende, Überstunden und Wochenenden. Der flexiblen Arbeitseinteilung sind so gewisse Grenzen gesetzt.
Attraktiv wird die Arbeit in Agenturen vor allem durch interessante Kunden, spannende Projekte, exzellente Teams und eine klare Vorstellung, wohin die Agentur sich in den kommenden Jahren entwickeln soll. Wenn diese Eckdaten nicht stimmen, dann nutzen auch noch so attraktive weiche Faktoren nichts.