Bubble 2.0? Who cares?

Befinden wir uns zum zweiten Mal in einer Blase aus überhitzten Erwartungen, überzogenen Bewertungen und übertriebenen Investitionen? Der jüngste Microsoft-Facebook-Deal hat die Debatte über diese Frage wieder einmal angeheizt.

Die Frage selbst ist nicht neu. Sie begleitet den zweiten Aufschwung der Internetwirtschaft mindestens schon seit Anfang 2006. Heute hat nun Edelmanblogger und Aufschwungsprophet Steve Rubel in einer Philippika der gesamten Branche starke Trunkenheit bescheinigt. Eines seiner Alkoholmessgeräte ist die Menge an blödsinnigen Pressemitteilungen in seinem Posteingang.

Die von Rubel angezettelte Debatte kommt rechtzeitig zur Web 2.0 Expo, die übernächste Woche in Berlin stattfindet. Die Frage wird, so viel scheint sicher, auf den Podien und in den Gängen heiß diskutiert werden.

Möglicherweise ist es tatsächlich eine Blase. Warum das, jedenfalls aus der Sicht des Silicon Valley, gar nicht so schlimm wäre, erklärt John Heilemann im New York Magazine. Und der New Yorker Venture Capitalist Fred Wilson beschreibt in diesen knappen Sätzen die wesentlichen Trends:

We have the following opportunity in front of us; the web is going mobile, programmable, social, and semantic all at the same time. And this is happening on a global scale in real time. In ten years, we will have a completely different world wide web and I am not going to miss out on the fun of helping to build a few parts of it.

In der Tat: Selbst wenn es eine Blase sein sollte, ist Stillhalten keine sinnvolle Option. Denn die grundlegenden Trends des Internetaufschwungs sind sämtlich seit mehr als zehn Jahren intakt. Es gibt Zeiten, in denen zu viel investiert wird, und Zeiten, in denen zu wenig investiert wird. Aber die knappste Ressource bleibt die Zeit. Verlorene Zeit lässt sich im Internet nur schwer aufholen.

Ganz vorn dabei im Westen

Es war im WM-Sommer 2006, als die WAZ-Gruppe eine Bloggerin zur stellvertretenden Chefredakteurin erkor und ihr ein Himmelfahrtskommando anspruchsvolles Projekt anvertraute. Es war ein Paukenschlag. Viel deutlicher kann ein Verlag nicht sagen, dass er im Web einen starken Neuanfang wagt.

Viel Wasser ist seitdem die Ruhr hinabgeflossen. Der ursprünglich für das Frühjahr avisierte Launch musste mehrfach verschoben werden. Und je mehr Zeit verging, um so höher wuchsen die Erwartungen.

Seit der vergangenen Nacht ist DerWesten nun am Start. Auf den ersten Blick haben sich die himmelhohen Erwartungen nicht erfüllt. DerWesten sieht aus wie eine solide Nachrichtensite, aufgeräumt und etwas langweilig. Wird hier der Lokal- und Regionaljournalismus im Netz neu erfunden?

Doch die spannenden Details liegen unter der Haube: Tagging-Mechanismen, regionale und lokale Kontexte, Geo-Tagging, Kommentare, Trackbacks, Blogs und Community-Funktionen. Hier gibt es jede Menge zu entdecken und auszuprobieren. Und dem Team von Katherina Borchert ist nur zu wünschen, dass Leser wie WAZ-Redakteure diese vielen Möglichkeiten entdecken und zu nutzen wissen.

How to Save Newspapers, schrieb der Journalist und Autor Doc Searls im März seiner Zunft ins Notizbuch. Einige dieser Rezepte hat DerWesten schon umgesetzt – und ist damit unter den Nachrichtensites im deutschsprachigen Raum ganz vorn dabei.

Der heutige Starttermin ist zwar spät, aber kein Zufall – auch der elektronische Platzhirsch WDR ging heute mit einem neuen Web-Angebot an den Start.

Wir konnten das kaum glauben

Zwei Stücke aus der Abteilung „Opa erzählt vom Krieg“: Der zeitgeschichtliche Spiegel-Ableger einestages.de rekapituliert die große Blase der späten 90er Jahre und deren Platzen. Autor Hasnain Kazim hatte dazu vor ein paar Wochen auch Matthias Schrader befragt.

Matthias Schrader blickt ohne Emotionen auf die Zeit zurück, als er gemeinsam mit seinem damaligen Geschäftspartner Oliver Sinner die Internetagentur SinnerSchrader in Hamburg gründete. „Eines Tages, im März 2000, schauten wir auf den Ausdruck unseres Depots, und da stand: 200 Millionen Euro.“ Schrader lächelt. „Damals haben wir noch in D-Mark umgerechnet. Wir konnten das kaum glauben: Das waren fast 400 Millionen Mark.“

Sinner ist vor ein paar Jahren, nach dem Crash, aus der Firma ausgestiegen, Schrader lenkt das 1996 gegründete Unternehmen – damals eine kleine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – nun alleine von Hamburg aus. Die Internetagentur hat nicht nur den Crash überlebt, sie gehört jetzt wieder zu den erfolgreichen Firmen ihrer Branche, mit immerhin rund 140 Mitarbeitern. In Hochzeiten waren es mal 270.

Das Beste an der Story ist aber das Bild von Telekom-Boss Ron Sommer beim Börsengang seines Unternehmens. Schöner kann man die Bubble der 90er nicht illustrieren.

Ein anderer Krieg, der kalte nämlich, ging noch einmal zehn Jahre früher zu Ende, als der eiserne Vorhang fiel. Seine ersten Risse bekam er im Sommer 1989 in Ungarn. André Lichte, heute Art Director bei SinnerSchrader, war damals dabei.

Eigentlich wollte André Lichte mit seinen neuen Bekannten vom Plattensee nur kurz nach Budapest. Auf der Rückfahrt vom Tagestrip sind sie plötzlich nur noch zu zweit. Die anderen beiden Mitfahrer haben sich in die deutsche Botschaft abgesetzt.

Hier sein Bericht.

Wunschzettel 2.0

Nico Lumma hat heute auf der Internet World (vermutlich, ich war nicht da) den Shoppero-Ableger Wishero vorgestellt, eine Art Widget-Generator für Wunschzettel.

Wishero durchsucht die Produktdatenbank von Amazon und generiert daraus Wunschzettel in verschiedenen Designs, von Kindergeburtstag bis Weihnachten. Die können anschließend per Mail an die üblichen Verdächtigen Adressbücher verschickt werden, haben eine dauerhafte Adresse (Permalink) auf wishero.de und lassen sich mit Hilfe von Clearspring als Widget überall im Web verteilen.

Wie es sich gehört, ist auch Wishero beta. Hier ist unser weihnachtlicher Wunschzettel, bis jetzt alpha.

Partner für die next08 gesucht

Am 15. Mai 2008 findet die next08 statt. Das Leitthema heißt: get realtime. Der Leitgedanke: Die Kommunikation und Interaktion zwischen Marken und Konsumenten im Web spielt sich mehr und mehr in Echtzeit ab. Diese Herausforderung sehen Startups, Venture Capitalists, Agenturen und Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven.

Die next08 ist eine Plattform, die auch Partnern offensteht. Wir suchen Partner, die diese Plattform nutzen wollen. Mehr dazu hier.

Es geht um Präsenz

Wenn Forrester-Analyst Peter Kim in Unternehmen über Twitter spricht, ist die häufigste Reaktion: „I just don’t get it.“ Twitter erschließt sich nur durch aktives Ausprobieren. Dieses Phänomen haben die Micropublishingdienste mit vielen Internetanwendungen gemeinsam.

Laut Forrester Research nutzen bereits sechs Prozent der erwachsenen Internetnutzer in den USA Twitter. Auch wenn sich diese Zahl auf den weitesten Nutzerkreis bezieht und keinesfalls auf tägliche Nutzer oder Inhaber eines Twitterkontos, bezweifeln sie selbst Nerds wie Robert Scoble. Und das mit Fug und Recht. Dennoch stimmt vermutlich, was Forrester über das Twitter-Publikum schreibt:

If you want to reach an affluent, well educated, and early adopter audience, there might not be a better communication channel out there.

Twitter (und Jaiku & Co.) sind Micropublishingdienste. Doch wer dabei an Dinge wie gedrucktes Wort oder Blogging denkt, der irrt. Es sei denn, er assoziiere James Joyce. Twitter ist ein digitaler Bewusstseinsstrom, gefiltert und über die Schnittstelle Tastatur ausgegeben.

Es geht um Präsenz. Micropublishing ist für Instant Messaging (IM) und Chat, was Blogging für Mail und Usenetforen war: ein Web-Interface, eine einfache Software und ein Ökosystem für die 1:n-Kommunikation, die damit auf eine neue Stufe gehoben wird.

Mit mehr oder minder permanenten Zustandsmeldungen in Echtzeit zeigen Micropublisher Präsenz. Sie liefern Kontext, an den die Kommunikation anknüpfen kann. Ein Beispiel: Kollege Themenblogger erfuhr am vorletzten Freitag aus meinem Twitterstream, dass ich nicht im Büro bin und also deshalb dort nicht ans Telefon gehe.

Twitter bietet bereits mehrere mobile Zugangswege an. Neben dem mobilen Webclient funktioniert auch SMS. Das in der vorletzten Woche von Google übernommene Jaiku hat eine eigene Software für das Mobiltelefon, die weitere Präsenzdaten liefert. Tim O’Reilly sieht darin den eigentlichen Grund für die Google-Übernahme.

Noch ist Jaiku relativ wenig verbreitet, was den Nutzen der Software stark einschränkt. Nützlicher ist Fring, das ich seit einiger Zeit mit Begeisterung auf meinem E61 nutze. Fring kann Skype, Google Talk und weitere Instant Messenger ansprechen. Ich sehe also auf dem Mobiltelefon, welcher meiner Kontakte gerade online ist.

Fring kann aber noch mehr: Auch Sprachanrufe sind möglich, entweder über Fring selbst, über Skype (beides Voice over IP) oder über das herkömmliche Mobilfunknetz. Fring benutzt von sich aus das WLAN und schaltet auf den mobilen Internetzugang des Netzbetreibers um, wenn kein WLAN verfügbar ist. Fring ist die erste mir bekannte Software, die das kann.

Fring kombiniert das Telefonbuch im Mobiltelefon mit den Präsenzinformationen der Instant Messenger. Ich kann also

  • sehen, welcher meiner Kontakte gerade online ist,
  • seine Tweets lesen,
  • daher wissen, womit er sich gerade beschäftigt und
  • ihn anrufen – alles mit einer Software auf einem mobilen Gerät.

Eine weitere Facette der Präsenz zeigt Plazes, das den Zugangsweg zum Internet auswertet und dadurch erkennt, wo ich gerade bin. Plazes, Fring und Jaiku – das wäre eine Kombination, die rockt. Wir werden sehen, welchen Weg Google mit seiner Neuerwerbung einschlägt.

Das Daimlerblog ist da

Oder heißt es doch „der Daimlerblog„? Wie auch immer – heute ist das seit langem erwartete Mitarbeiterblog des deutschen Automobilkonzerns an den Start gegangen. Web-Communications-Manager Christian Fachat erklärt im ersten Beitrag die Ziele (und hat eine klare Präferenz in der Frage nach dem Genus):

Auch wir wollen nun einen Blog nutzen, um deutlich zu machen: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Sie lebt vom Austausch – und dafür brauchen die Empfänger einen Kanal für offenes Feedback. Zum Beispiel diesen Daimler-Blog, in dem Mitarbeiter durch ihre Beiträge unser Unternehmen etwas transparenter machen. Und bei diesen Themen geht es nicht um die Unternehmensmeinung, sondern um Einblicke in das „Leben beim Daimler”.

Wir sind gespannt! Die im Vergleich zum Prototypen geänderte Farbigkeit des Blogs wirkt jedenfalls leichter und freundlicher, wie auch der gesamte neue Auftritt des Unternehmens.

Die Grenze zwischen Werbung und Redaktion

Die Internet World hat mir ein paar Fragen zum immer wieder spannenden Thema der Trennung zwischen Werbung und Redaktion im Web gestellt. Hier meine Antworten.

Verschwimmt im Zeitalter des viralen Marketing die Grenze zwischen
Werbung und Redaktion oder gibt es nach wie vor klare
Demarkationslinien?

Wo es redaktionelle Angebote gibt, sollte es auch eine klare Trennlinie zur Werbung geben. Dies liegt im ureigenen Interesse jedes redaktionellen Mediums, denn sonst verliert es an Glaubwürdigkeit. Viele Angebote im Web haben aber gar keine Redaktion, und dann kann es auch keine Trennung zur Werbung geben. Werbung sollte immer dann deutlich gekennzeichnet werden, wenn sie nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist.

Dürfen Unternehmen und ihre Agenturen komplette Artikel
oder Themeninseln
konzipieren und erstellen, damit sie von redaktionellen
Websites veröffentlicht werden?

Ja, dürfen sie. Die Redaktionen fahren allerdings besser damit, diese Artikel oder Themeninseln klar zu kennzeichnen. Schmu erkennt der mündige Medienkonsument früher oder später – und straft mit Nichtbeachtung.

In welcher Form darf ein Unternehmen einen Blog oder eine Community
fördern oder komplett finanzieren?

In jeder Form, die Leser und Konsumenten verstehen und goutieren. Unternehmen können auch selbst Blogs betreiben oder eine Community pflegen. Anders als in den klassischen Medien haben sie im Web viele Möglichkeiten, direkt mit den Konsumenten zu interagieren. Die Konsumenten suchen den direkten Kontakt.

Spielt sich die gesamte Diskussion über Schleichwerbung im Netz
nur in einem „inneren Zirkel“ der Medienschaffenden ab? Interessiert das den „normalen“ User überhaupt?

Auch wenn sich die Diskussion tatsächlich in einem inneren Zirkel abspielt – Otto Normalverbraucher ist an authentischer Kommunikation und Interaktion mit Unternehmen und Marken interessiert. Wer dieses Interesse bedient, hat damit Erfolg.