Der große Denkfehler

Der Niedergang der traditionellen Medienhäuser begann sich genau in jenem Moment dramatisch zu verschärfen, als sie damit anfingen, von ihrem Produkt in leeren Metaphern zu sprechen. Was, bitte, sind Inhalte, gern auch als Content bezeichnet?

  1. Wofür steht der Plural? Für Vielfalt? Für Austauschbarkeit?
  2. Was ist das Gefäß oder die Verpackung? Ein Bitstrom? Ein On-Air-Design? Ein Stapel Papier? Ein Format?
  3. Wie lassen sich „Inhalte“ umverpacken? Sind sie flüssig oder fest (oder gasförmig)?
  4. Kann man sie beliebig vermehren oder kopieren?

Die Rede von Inhalten verkennt, dass Medien meistens nichts anderes verkaufen können als sich selbst. Für eine Zeitung mag ich bereit sein, einen Euro fünfzig zu zahlen – ein einzelner Artikel ist wertlos (außer in Spezialfällen wie der gewerblichen Archivnutzung, Genios lässt grüßen). Das frei empfangbare Fernsehen mag Gebühren kosten – für einzelne Sendungen zahlt kein Mensch (außer in Spezialfällen wie der DVD-Nachnutzung).

Medienmarken können Zusatzgeschäfte tragen (siehe die SZ-Editionen und die Mediathek). Aber die Zusatzgeschäfte können kein absterbendes Stammgeschäft kompensieren. Irgendwann stirbt auch die Medienmarke.

Unter dem großen Denkfehler, der sich hinter dem kleinen Wort Inhalte verbirgt, leidet auch der ansonsten kluge Kommentar von Lutz Meier in der heutigen FTD (nicht online – womit ein Teil des Problems schon illustriert wäre). Die entscheidende Passage:

Fast alle Medienhäuser kommen von der Publizistik. Erst später sind sie zu Zwittern geworden: Einerseits ist es ihr Geschäft, dem Publikum unverzichtbare Inhalte zu versprechen und dafür Geld zu verlangen. Zugleich leben sie davon, mit den Inhalten Zielgruppen zu gewinnen, um sie an Werbekunden zu verkaufen. Dieses Zwitterdasein führt angesichts der digitalen Revolution in die Identitätskrise. Medienhäuser müssen sich deshalb überlegen, wofür sie da sind: Sind sie zuerst Aufmerksamkeitsaggregatoren, die eine Marktposition im Werbegeschäft brauchen? Oder ist es ihre Existenzgrundlage, Information und Unterhaltung so zu sammeln, ordnen und aufzubereiten, dass sie für das Publikum einen Wert darstellen?

Im ersten Fall bliebe nichts anderes übrig, als die Konfrontation mit Google und Ebay zu suchen, um diesen in Sachen Aufmerksamkeitsökonomie überlegen zu werden. Das ist teuer und risikoreich. Und es wäre ehrlich zu sagen, dass es dazu führen kann, dass Redaktionen überflüssig werden und die Verlässlichkeit von Information zum relativen Wert.

Für andere – gerade traditionelle Printhäuser – kann der zweite Weg lohnender sein. Auch dann bedeutet die digitale Entwicklung Umdenken. Druckerzeugnisse in ihrer jetzigen Form haben keine große Zukunft. Die Medien müssen also mit ihren Inhalten auf digitale Plattformen. Dort konkurrieren sie direkt mit dem, was freischwebende Medienproduzenten bieten, etwa Blogs, und auch mit kostenlosen Seiten. Der Mehrwert der gebotenen Information muss demnach unmittelbar erkennbar sein. Wie dieser dann zu Geld gemacht wird, ist erst die zweite Aufgabe.

Die letzten beiden Sätze jedenfalls treffen den Nagel auf den Kopf.

Warum Endlosterminserien böse sind

Serientermine bei Outlook

Ist Outlook eigentlich schon Web 1.0? Oder eher noch Web 0.5? Wie dem auch sei – vor sechs Jahren war Outlook/Exchange ein echter Fortschritt. Heute ist es ein echtes Produktivitätshindernis.

Ohne diese These jetzt näher begründen zu wollen, möchte ich ein Problem brandmarken, das vermutlich nicht einmal outlookspezifisch ist, sondern viele digitale Kalender teilen – die Terminserien ohne definiertes Ende.

Die sind nämlich böse. Und ich sage auch, warum. In meinem Kalender finde ich eine Reihe solcher Terminserienleichen. Irgendwann habe ich den Fehler gemacht, einer Einladung zuzusagen, und jetzt habe ich den Salat. Es gibt genau drei Möglichkeiten:

  1. Ich kann die verwaiste Terminserie löschen. Damit sind dann aber auch alle vergangenen Termine im digitalen Orkus, und das ist nicht unbedingt erwünscht. Das ist so, als ob ich aus meinem Moleskinekalender die zurückliegenden Termine herausschneiden müsste, nur um künftige Termine zu streichen.
  2. Ähnliches gilt, wenn ich selbst ein Enddatum einsetze. Dann meldet Outlook:

    Alle zu dieser Terminserie gehörenden Ausnahmen gehen verloren. Falls es sich bei Ausnahmen um Besprechungen handelt, werden die Teilnehmer nicht benachrichtigt. Sind Sie damit einverstanden?

    Nein, bin ich nicht. Ich will auch die Ausnahmen behalten. Dafür habe ich einen Kalender.

  3. Bleibt nur, alle künftigen Termine von Hand zu löschen. Oder den ganzen Kalender zu archivieren, einen neuen zu beginnen und dort nur noch neue Termine einzutragen. Mit anderen Worten: Mehraufwand.

Kein Wunder, dass im Kanzleramt ein elektronischer und ein papierner Kalender parallel geführt werden.

Conclusio: Endlosterminserien sollten gar nicht erst erlaubt werden. Bitte in allen digitalen Kalendern abschaffen. Danke.

Web 2.0 und neue Verkaufsmodelle

Versandhandelskongress
Matthias Schrader gestern auf dem Versandhandelskongress in Wiesbaden
„Ein wirkliches Highlight und eine tolle Show“, schreibt Jochen Krisch bei Exciting Commerce.
Nachtrag: Hier jetzt auch der Quicktime-Film (15 MB), klickbar und mit lesbaren Texten. Allerdings keine Tonspur, da muss ich Euch leider enttäuschen. Soweit ich weiß, ist der Vortrag nicht aufgezeichnet worden.

Dating mit Büchern

buchpfade.de

Soziale Software dient vor allem einem Zweck – der Eheanbahnung. Wer sich bei buchpfade.de registriert, wird demzufolge gleich nach seiner Verfügbarkeit auf dem Heiratsmarkt gefragt: „Sag ich nicht“, „Single“ oder „In einer Beziehung“ lauten die Alternativen.

In nur fünf Tagen und Nächten, so die Selbstbeschreibung, entstand buchpfade.de als

unternehmerisches Experiment des Center for Digital Technology and Management (CDTM)
der Technischen Universität München (TUM) und der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Die Idee ist simpel: Was last.fm für Musik ist, will buchpfade.de für Bücher sein. Nutzer stellen dort ihre Bibliothek zusammen, bewerten Bücher, bekommen Empfehlungen und finden Gleichgesinnte („Buchgefährten“) mit ähnlichen Beständen im Regal.

An manchen Stellen scheint die Site noch etwas buggy zu sein, aber die Oberfläche ist anmutig, die Idee gut und die Ausführung für den Anfang gar nicht schlecht. Vorgestern wurde buchpfade.de auf der Systems vorgestellt, und die ersten 108 Nutzer sind schon registriert.

E-Commerce wird unsichtbar

Logo Internet World

Heute reise ich nach München, um morgen auf der Internet World u.a. mit Jochen Krisch über die Frage „Quo vadis E-Commerce 2.0?“ zu diskutieren. Den Fischmarkt-Lesern möchte ich nicht vorenthalten, was mir zu den fünf Fragen eingefallen ist, die Panel-Moderator Björn Negelmann vorab gestellt hat.

  1. Was zeichnet das derzeitige E-Commerce aus? Was ist der technologische und konzeptionelle Status-Quo?

    Der Blick in das Online-Shop-Ranking sagt alles: Ebay, Amazon und Tchibo sind der Maßstab – in dieser Reihenfolge. Die Stärke von Ebay ist die Schwäche des Direktvertriebs und des klassischen Versandhandels im hiesigen Web. Die Stärke von Amazon ist die einzigartige Sortimentstiefe und -breite. Und die Stärke von Tchibo ist ein innovatives Konzept – auch wenn es inzwischen Abnutzungserscheinungen zeigt, im Web trägt es nach wie vor.

  2. Was sind die Defizite (oder gibt es evtl. gar keine), die das derzeitige E-Commerce-Geschehen kennzeichnen?

    Es dominiert der Nachholbedarf. Zu viele Anbieter haben in den Krisenjahren ab 2001 zu wenig investiert und sich damit einen Rückstand zum Spitzentrio eingehandelt, der jetzt nur schwer aufzuholen ist. Doch das Umdenken hat eingesetzt und zeigt erste Resultate: Otto zum Beispiel arbeitet am eShopping 2.0.

  3. Was verändert sich im E-Commerce mit Web 2.0? Oder wird sich gar nichts aendern?

    Mit Web 2.0 werden die Karten noch einmal neu gemischt. Ebay und Amazon waren immer schon Web 2.0, obwohl es bei ihnen weder riesige Schriften noch abgerundete Ecken gibt. Für die etablierten Versender ist Web 2.0 die Chance, ihre Versäumnisse aufzuholen. Es gibt Indizien dafür, dass sie diese Chance nutzen werden. Und alle anderen können vom Long-Tail-Effekt profitieren: Selling Less of More.

  4. Was sind die bedingenden Faktoren für die weitere Entwicklung des E-Commerce zum E-Commerce 2.0?

    Ein entscheidender Faktor ist die künftige Vertriebspolitik der Markenhersteller: Werden sie stärker als bislang direkt vertreiben oder weiterhin auf den Handel setzen? Das Web begünstigt den Direktvertrieb.

    Spannend wird, ob die bezahlte Transaktionsvermittlung über das Web weiterhin dominiert oder das Pendel wieder in Richtung Handel zurückschlägt.

  5. Was bringt uns die Zukunft nach E-Commerce 2.0?

    E-Commerce wird unsichtbar – genau wie Strom, Telefon oder Fax. Heute schon ist die Erwartung berechtigt, alles online beziehen zu können, was sich prinzipiell dafür eignet. Im Versandhandelsdeutsch heißt das „Multichannel“. Die Onlinebestellung ist zu einer reinen Selbstverständlichkeit geworden, wie die Bestellung per Telefon, Fax oder Postkarte.

    Die nächsten Themen heißen:

    • Wer verkauft am besten – Händler oder Hersteller?
    • Produkteigenschaft Internet: Das Web gehört zum Produkterlebnis
    • Marke 2.0: Alle Macht dem Nutzer?