Nach dem Aus: Spiegel Online als Notausgabe

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Was macht der gemeine Internetnutzer, wenn er das Aus im Halbfinale verarbeiten will? Er liest das Selbsterlebte bei Spiegel Online nach. Ein kollektiver Sturmlauf zwingt jeden Server in die Knie – so geschehen beispielsweise am 11. September 2001, als in der größten Nachrichtennot lange Phasen nichts mehr ging.
Spiegel hat aus dem 11.9. gelernt und hält seitdem eine „High-Traffic-Version“ seiner Homepage vor. Ohne Werbung, reduzierte Navigation, nur wenige Artikel. Weniger Kilobyte erzeugen mehr Durchsatz und damit bessere Verfügbarkeit. Anscheinend sind die Zugriffszahlen auf die Spiegel-Server ähnlich hoch wie zu (tatsächlichen) Krisenzeiten, so daß aktuell ein seltenes Naturschauspiel zu sehen ist. Spiegel Online werbefrei.

Das Dilemma der Werbeindustrie

Wir, die ehemals passiv konsumierenden und heuer sich artikulierenden Internetnutzer, behandeln Themen lieber selbst, als nur darüber zu lesen. Wir geben authentische und vielschichtige Einsichten in unsere Meinungsfreude, vernetzen uns mit anderen Meinungsträgern und erfreuen uns auf dieser Metaebene daran, dass die Marken dieser Welt zwar dauernd Thema sind, aber selbst nicht zu Wort kommen.
Aber, liebe Werbeindustrie, genau hier, wo wir sind, muss eure Werbung fortan hin. Jedenfalls, wenn sie wirken will. Das Dilemma: Unsere digitalen Gespräche verstehen sich als Gegenentwurf zu eurer durchkommerzialisierten Internetwelt. So ist es entsprechend schwer, hier eine glaubwürdige wie effiziente Werbung zu plazieren. Dieses Problem zu lösen, wird euch noch lange beschäftigen.
Der Mediabrief behandelt die fünf Probleme Neuerungen, auf die ihr euch einstellen müßt. „Das Ende der Reichweite“. Weiterlesen

Verschlafen?

Allenthalben wird nun aus Anlass der Personalie Katharina Lyssa Borchert kolportiert, der WAZ-Konzern habe

das Internet bislang weitgehend verschlafen (Mario Sixtus bei Holtzbrinck),

und

drehe nun ein großes Rad für einen Verlag, dessen Online-Aktivitäten bisher im homöopathischen Bereich ablaufen (Thomas Knüwer ebenfalls bei Holtzbrinck).

Nun ja: Haben die Kollegen schon Cityweb vergessen? Da hat auch die WAZ-Gruppe schon die eine oder andere Million versenkt. Seit zehn Jahren.

Denken in Dienstleistungen

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Jürgen Siebert in der Page 7/2006:

Etablierte Unternehmen müssen sich langsam von dem Gedanken lösen, dass sich Kunden für ihr Gesamtangebot interessieren. Was in Zukunft zählt, sind nutzerorientierte Services. Das Denken in Dienstleistungen ist nicht einfach, wie man an Post und Telekom sehen kann. (Ich sage nur: Telefonbuch.de – schon mehrfach an dieser Stelle als Lachnummer zitiert…)

Was bedeutet Web 2.0 für die Grafikdesignbranche? Zum Beispiel: Abschied nehmen von der Überbetonung des Kosmetischen. Mehr als jemals zuvor sind Informationsingenieure gefragt, keine Hübschmacher. Verglichen mit der Bauindustrie sind die Designer Planer, Architekten, Statiker und Maurer. Sie errichten ein Informationsgebäude. Erst danach kommen die Maler und Verputzer. Wer diese Reihenfolge umdreht, wird scheitern.

Abbildung: Das T-Shirt zum Kongress Next 10 Years in der symbolischen Darstellung von Jürgen Siebert (mit freundlicher Genehmigung). Mehr dazu bei next10years.com.

Fusion und Diffusion

Interwall und Neusta

„Interwall und NEUSTA wachsen zusammen“, verkündete am 10. Januar 2006 eine Pressemitteilung der Bremer Agentur Interwall. „Durch die Fusion der Unternehmen Interwall und NEUSTA entsteht in Bremen eine der größten und weiter am stärksten wachsenden Internetagenturen.“

Das neue Unternehmen verbinde die Kompetenzen Multimedia, Online-Marketing, Merchandising-Shops und Softwareentwicklung, hieß es. Es beschäftige 115 Mitarbeiter und habe im Jahr 2005 einen kumulierten Umsatz von mehr als 9 Mio. Euro erzielt. Interwall wäre damit an Hanke hmmh Multimediahaus Bremen vorbeigezogen, das (laut New Media Service Ranking) 8,93 Mio. Euro umsetzte und damit Platz 10 belegte.

Doch knapp sechs Monate später will von der Fusion niemand mehr etwas wissen. Die Pressemitteilung ist stillschweigend von der Website verschwunden, und der verhinderte Fusionspartner Neusta hat seinen über lange Jahre bewährten Webauftritt reaktiviert.

Das aktuelle New Media Ranking weist Interwall mit 4,5 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2005 aus – und 98 (!) Mitarbeitern zu Beginn des Jahres 2006. Neusta müsste demnach ebenfalls 4,5 Mio. Euro umgesetzt haben und hat laut Website 77 Mitarbeiter. Macht zusammen 175 – und nicht 115, wie es in der Pressemitteilung hieß, in der Neusta-Geschäftsführer Carsten Meyer-Heder wie folgt zitiert wird:

„Wie hoch der Grad der gegenseitigen Ergänzung ist, zeigt die Tatsache, dass keine Schnittmengen bei Funktionen und Personal existieren. Konkret heißt dies, dass wir auf keinen einzigen Mitarbeiter verzichten. Im Gegenteil nehmen wir uns vor, weiter zu wachsen und in diesem Jahr etwa zehn zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.“

Irgendetwas kann da nicht stimmen.