Milchmädchenrechnung

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Mit angeblichen Verlusten Eindruck schinden – das können sie wirklich, die geistigen Eigentümer. Jüngstes Beispiel ist die an China gerichtete Protektionismus-Drohung des EU-Handelskommissars Peter Mandelson.

Europäische und amerikanische Unternehmen beziffern ihre Verluste durch Raubkopien auf umgerechnet mehrere Milliarden Euro.

Und in der Tat nennt der Commercial Piracy Report der IFPI beeindruckende Zahlen: Demnach wurden 2004 insgesamt 1,5 Milliarden Raubkopien verkauft, was einen Markt von 4,6 Milliarden US-Dollar ergebe. Diese einfache Rechnung unterstellt also pro CD 3,07 Dollar Verlust. 34 Prozent aller produzierten Scheiben sind laut IFPI Raubkopien.

Diese Kalkulation basiert auf den Verkaufspreisen für Raubkopien. Sie zeigt vor allem eines: Es gibt eine Nachfrage nach Musik auf Silberscheiben, die von der Musikindustrie nicht bedient wird, weil ihre Preise zu hoch sind. Westliche Ladenpreise liegen beim Vier- bis Fünffachen der Raubkopierer-Tarife.

Selbst wenn unterstellt würde, dass die gesamten 4,6 Milliarden US-Dollar in den Erwerb legaler Produkte flössen, dann würden dafür nur gut 300 Millionen Stück verkauft. Es bliebe also eine unbefriedigte Nachfrage nach fast 1,2 Milliarden Scheiben.

Es muss aber angenommen werden, dass ein großer Teil der besagten 4,6 Milliarden US-Dollar nicht für die Produkte der Musikindustrie ausgegeben würde, falls es keine Raubkopien mehr gäbe. Denn wären die Konsumenten in diesem Fall bereit, die verlangten Ladenpreise zu zahlen? Wohl kaum. Insofern ist diese Zahl reine Fiktion.

Meister dieser Betrachtungsweise sind jedoch die Deutschen Phonoverbände. Sie schrecken nicht davor zurück, dem Gesamtumsatz der Branche in Deutschland (2005: 1,746 Milliarden Euro) einen fiktiven Umsatz mit kopierter Musik („illegale Musikangebote im Internet und Musikkopien auf Rohlingen“) von 6,3 Milliarden Euro gegenüberzustellen – Faktor 3,6. Geht’s noch?

Advertising 2.0

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Schon im Februar hat Paul Beelen ein Whitepaper namens Advertising 2.0 veröffentlicht, das trotz einiger Schwächen im Detail eine lesenswerte Einführung ins Thema aus Werbe-, Marketing- und Mediensicht bietet. (Nico Zorn wies gestern darauf hin.)

Eine Passage aus dem Papier:

Advertising has long been based partially on something called information-asymmetry. The company knows more than the consumer, and uses this information to seduce a target group or to correct a common perception by manipulating a market. Simplified, if a company knows its products are being seen as technically inferior by many consumers, it might want to address that problem in an advertising campaign. The effect such a campaign would have on isolated consumers is far higher than the effect it will have on a hyper connected market, as each individual is now able to tap from the knowledge of a huge base of consumers, who probably came to the conclusion the products were technically inferior even before the company knew it. In other words, information asymmetries have been ‘mortally wounded’ by today’s connecting technologies.

In fact, one might say that hyper connected individuals are less likely to be influenced by advertising. Also, hyper connectivity leaves no room for mistakes,nor does it allow advertising to lie or to omit the truth. Therefore, advertising will need to adapt and learn to communicate with consumers in a fair, transparent way. Consumers now have access to information they didn’t have access to before, and they will use it to judge advertising campaigns, and invalidate them whenever possible.

Readers Edition

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Die lang erwartete Readers Edition der Netzeitung ist da. Erste Stimmen aus dem Netz:

Die Idee ist gut, warten wir ab, ob die Welt dafür schon bereit ist. (Johnny Haeusler, Spreeblick)

Es ist ein sehr, sehr spannendes Projekt, das extrem viele wache Augen benötigt. Funktioniert es, setzt es vielleicht sogar international einen Maßstab. (Thomas Knüwer, Indiskretion Ehrensache)

Zumindest die ersten bereits eingereichten Artikel lassen gutes hoffen… (BloggingTom)

Das Layout wirkt sachlich, aber nicht unschick. Und auch nicht so unaufgeräumt-durcheinander wie bei vielen Newsseiten. (Robert Basic, Basic Thinking]

Der Gipfel

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Kongresse, Kongresse, Kongresse. Wer noch nicht genug hat, kann Ende dieser Woche den Online Marketing Gipfel 2006 in Wiesbaden besuchen. Das Verhältnis von Anzug- zu Jeansträgern dort wird reziprok zur reboot sein. Ein paar Gründe für die Reise:

  • Bernd M. Michael, zuletzt durch seine Ansprache zum New Media Award positiv aufgefallen, spricht gleich nach dem Grußwort über „Online Kommunikation – Stammspieler oder nur Reservebank?“.
  • Christian Magel stellt simyo vor („Generationenwechsel im Mobilfunk: simyo – Die Erfolgsstory mit Pure play Internet“).
  • Markus Krechting referiert über „Neckermann auf dem Weg zur E-Commerce-driven Company – Die Zukunft liegt im Internet“.
  • Tim von Törne präsentiert Skype zum Thema „Internettelefonie und eMarketing – wie bringt man diese Bereiche zusammen?“.
  • PR-Blogger Klaus Eck darf das Thema Web 2.0 („Chancen und Risiken“) vertreten.
  • Und schließlich Martin Oetting: „Online Marketing Trends: Marketing im 21. Jahrhundert – Dank kollektiver Intelligenz“

Marc Andreesen, Oliver Sinner und Otto

Fünfter und letzter Teil der mehrteiligen Serie zum zwanzigjährigen Bestehen der Page und zum zehnjährigen Bestehen von SinnerSchrader. Teil 1: Computersozialisierung bei Horten, Teil 2: Ein seltsames Protokoll, Teil 3: Schülerzeitung goes DTP, Teil 4: Ein vorlauter Leserbrief

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Marc Andreesen beendete 1994 meine DFÜ-Leidenschaft. Zehn Jahre zuvor war ich das erste Mal online, zuerst mit dem C64 und einem DIY-Akustikkoppler, später mit Ataris und Intels sowie schnellen Modems. Abgesehen von den aufgehübschten Einstiegsseiten bei Compuserve und AOL blieb es aber im Kern – wie es bis dahin gespreizt-preußisch hieß – Datenfernübertragung. Texte und Dateien wurden von A nach B bewegt.

Andreesens Netscape-Browser verwandelte hingegen den Bildschirm in ein universelles Medium: Der Nutzer bewegte sich nun von A nach B nach irgendwohin. Der Computer hatte in meinen Augen seine Bestimmung gefunden, gleichzeitig Werkzeug und Medium zu sein.

Das ganze Jahr 1995 verbrachte ich wie im Rausch damit, Websites zu entwickeln, meine Professoren sahen mich selten und wenn, dann um am Monatsende in der Uni Onlinekosten zu sparen. Anfang 1996 hielt ich es für eine gute Idee, den Otto Versand als Kunden zu gewinnen.

Mein dortiger Ansprechpartner hieß Oliver Sinner, und eine Woche nach unserem ersten Kennenlernen schmiss er seinen Job und ich mein Studium; wir gründeten die Sinner + Schrader GbR. Wir erzählten allen, Online-Shopping sei die Zukunft, aber eigentlich wollten wir nur irgendwie dabei sein.

Auf der CeBIT 1996 planten wir unseren ersten richtigen Kunden zu gewinnen, denn Otto entwickelte sich nicht so wie geplant. Und irgendwie funktionierte es. Wir lernten Stephan Schambach kennen, der keine Lust mehr hatte, Next-Computer in Jena zu verkaufen, sondern einen Narren an der Diplom-Arbeit eines seiner studentischen Mitarbeiter gefressen hatte.

Frank Gessner, so sein Name, hatte eine Shopping-Software fürs Web entwickelt, der er augenzwinkernd Intershop nannte. Wir waren sofort begeistert und bekamen kurzerhand den Auftrag, das gesamte Benutzerinterface zu überarbeiten und leckere Demo-Shops zu entwickeln. Stephan Schambach erhielt Risikokapital und wir konnten Mitarbeiter einstellen.

Mit der Intershop-Referenz gelang es uns, die ersten großen Versandhändler zu überzeugen, ihre Verkaufsplattformen von uns entwickeln zu lassen. Und mit den Händlern kamen die Banken, Touristiker und Telekommunikationsunternehmen, denn sie alle wollten künftig direkt übers Web ihre Geschäfte abwickeln.

Aus unserer GbR wurde 1997 eine GmbH und zwei Jahre später die SinnerSchrader AG. Dreieinhalb Jahre nach Gründung war aus der 2-Mann-Firma eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit 70 Mitarbeitern geworden.

Heute entwickeln in Hamburg und Frankfurt rund 140 Mitarbeiter für Kunden wie die Deutsche Bank, comdirect, TUI, E-Plus, Tchibo oder die Süddeutsche Zeitung webbasierte Marketing- und Vetriebsplattformen. Und seit diesem Jahr steht auch wieder unser Startkunde Otto auf der Kundenliste.

Derweil erfindet sich das Web in diesen Monaten neu. Hohe Bandbreiten, ubiquitäre Verfügbarkeit und offene Standards sorgen für ein interaktiveres und leistungsfähigeres Web. Nie waren digitale Medien spannender!

Ende

Frühjahrsputz

SZ-Mediathe
Die SZ-Mediathek hat ein neues Gesicht. Neu auf der Startseite: die Topseller, täglich frisch. Und die aktuellen Rezensionen aus der Süddeutschen, das Alleinstellungsmerkmal schlechthin.

Lustlos und peinlich

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Der Hamburger Dialog, der eigentlich das norddeutsche Gegenstück zu Medienforum NRW und Münchner Medientagen sein will, erlebt ein PR-Debakel. „Lustloser Auftakt“ schreibt die Welt in die Unterzeile des Kongressberichts von Martin Ax. Der Schweizer Verleger Michael Ringier sprach demnach vor gerade einmal 40 Zuhörern über Strategie und Schröder, „lau und lustlos“ habe sich die Medienstadt Hamburg präsentiert.

Statt 1500 wie in den vergangenen Jahren hatten sich nur 1200 Teilnehmer angemeldet, und auch die gingen offenbar nur sporadisch ins CCH. In den Lounge-Bereichen herrschte zum Teil gähnende Leere, auch bei attraktiven Fachthemen blieben manche Säle halb leer. Eine Hamburger Agenturchefin faßte den Eindruck vieler Teilnehmer so zusammen: „Das Programm ist fachlich besser als vor einem Jahr. Aber die Atmosphäre ist deprimierend.“

Die Suche nach den Ursachen fördert eine angebliche „Kongressmüdigkeit“ zu Tage, induziert durch ein Überangebot an Tagungen und Kongressen. Puh, da haben wir ja noch mal Glück gehabt, dass diese Müdigkeit nicht schon drei Wochen früher ausgebrochen ist.

Andere Organisatoren warfen sich gegenseitig vor, daß der Hamburger Dialog zu nüchtern, zu emotionslos, zu wenig inszeniert sei.

Wer weiß?

Oberpeinlich allerdings Ole von Beust, der den Kongress eröffnen durfte:

Unverblümt gab von Beust zu erkennen, daß er sich nicht mehr ganz sicher sei, ob Hamburg wirklich noch die deutsche Medienhauptstadt sei. „Bei den elektronischen Medien sind wir es ja leider nicht mehr“, sagte er vor 400 Zuhörern.

Ein Hammer! Bloß gut, dass Martin Ax aufgepasst hat:

Das stimmt so nicht, Herr Bürgermeister. Nur im TV-Bereich ist Hamburgs Rolle fraglich. In den Wirtschaftszweigen Internet, Hörfunk, Filmproduktion und Videospiele ist Hamburg ebenso führend in Deutschland wie bei den traditionellen Print-Medien.

Und im Kongressbereich wird Hamburg spätestens 2007 die Führungsrolle zurückerobern – mit „Next 10 Years 2007″. Das sind wir Hamburg, unserer Perle einfach schuldig.