Peter Turi eröffnet sein (schon nebenan gewürdigtes) Branchendienstblog turi2 mit einem Abgesang auf die Printbranche. Etwas Ähnliches hatten wir erst neulich bei Martin Röll. Dort ging es um die klassische Werbung, mithin den wirtschaftlichen Antrieb der klassischen Medien, hier um die melancholischen Aussichten für das Verlagsgeschäft.
Zum Glück für ihn und die allgemeine Debattierlust formuliert Turi seine Thesen hinreichend interpretationsoffen. Am Beispiel der ersten These:
Das etablierte Printgeschäft wird den Zeitschriften- und Zeitungs-Verlagen in den nächsten zehn Jahren um die Ohren fliegen.
Was heißt das genau? Es wird schrumpfen? Es wird explodieren? Soviel steht fest: Es wird sich verändern. Und zwar dramatisch. Ungefähr so, wie sich das Buchgeschäft durch die Erfindung der Tageszeitung verändert hat, die Tageszeitung durch das Radio und das Radio durch das Fernsehen. Wird es verschwinden? Nein. Das wäre ein absolutes Novum.
Aber weiter im Text:
Wer jetzt nicht den Einstiegs in die digitalen Media-Communities schafft, verspielt seine Zukunft.
Was heißt das jetzt wieder? Was sind digitale Media-Communities? Und was haben Verlage damit zu schaffen? Muss ich mir das ungefähr so vorstellen wie die Dominanz der Verlagshäuser über das private Radio in Deutschland – das vor allem deshalb so schlecht ist, weil es die Verlage als cash cow bar jeglichen publizistischen Anspruchs missbrauchen und so ihre gedruckten Pfründe verteidigen?
Oder These 3:
Die nachwachsende Generation, die erste, die mit dem Internet aufwächst, hat sich längst von Zeitungen und Zeitschriften verabschiedet.
Die ma 2005 Radio II kommt zu einem anderen Ergebnis: Demnach sagen 52 Prozent der 14- bis 19-Jährigen, sie läsen mehrmals in der Woche Zeitung, und 29 Prozent bekennen sich zur Zeitschriftenlektüre. Das ist zwar signifikant weniger als in den älteren Zielgruppen – aber vom Abschied zu reden, ist doch etwas verfrüht.
Die Tageszeitungen verlieren schon seit 1980 kontinuierlich an Tagesreichweite (laut ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation), aber das dürfte ebenso auf das Konto der gestiegenen Reichweite von TV und Hörfunk gehen wie auf das seit 2000 an Relevanz zunehmende Internet.
Das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen, bevor Untergangsszenarien für das gute, alte Fernsehen an die Wand gepinselt werden: Von 2000 bis 2005 ist die Tagesreichweite des Fernsehens von 73 auf 74 Prozent gestiegen, die Sehdauer von 190 auf 211 Minuten und die Verweildauer von 259 auf 283 Minuten (laut AGF/GfK Fernsehforschung). Sehdauer und Verweildauer sind auch bei den 14- bis 29-Jährigen gestiegen, nur die Tagesreichweite sank um einen Prozentpunkt.
Also bitte nicht von den Nutzungsgewohnheiten einiger, weniger Geeks auf die Gesamtbevölkerung schließen – das kann nur schiefgehen.