in Medien

Verwirrter Souverän

Die Neue Zürcher Zeitung eignet sich gut dazu, gelegentlich auch kluge Köpfe zurechtzurücken. Heute fasst das Blatt wie gewohnt abgewogen die Diskussion um den souveränen Medienkonsumenten und seine durch digitale Technik gewonnene Macht zusammen und ordnet manche Aufregung in den richtigen Kontext ein. (Da NZZ-Artikel nur einen Tag lang frei zugänglich sind, habe ich eine Kopie bei spurl.net abgelegt.)

Anlass ist eine am Mittwoch veröffentlichte Studie von Seven One Media, der zufolge das werbefinanzierte Fernsehen durch diese Machtverschiebung nicht akut bedroht sei. Dazu schreibt die NZZ:

Die Bereitschaft der Konsumenten, digitale Aufnahmegeräte
einzusetzen, werde überschätzt. Die Zuschauer wollten nicht
gleichzeitig ihr eigener Programmdirektor sein.
Allerdings belegen Studien meistens das, was der
Auftraggeber am liebsten hört. Die Untersuchung von Seven One Media
deckt sich zumindest mit der Erfahrungsregel, dass Revolutionen selten
total wirken und somit das Alte vom Neuen nicht völlig verdrängt wird.
Beträchtliche Umwälzungen und Umschichtungen sind trotzdem zu erwarten.

So plant beispielsweise Procter & Gamble laut Wall Street Journal
(nur für Abonnenten), seine TV-Ausgaben zu Gunsten von Schleichwerbung
(neudeutsch: Product Placement) umzuschichten. In Deutschland wird
dieses Thema ja eher kritisch gesehen

Die Konsumenten nutzen den Machtzuwachs, den ihnen die verbesserten
Digitaltechniken bescheren. Die Medienhäuser sind gezwungen,
kundenorientierter zu denken. Gleichzeitig wachsen die Ansprüche ans
Marketing, um bei den emanzipierteren Konsumenten überhaupt Gehör zu
finden.

Trotz dieser Tendenzen sieht auch die NZZ das werbefinanzierte TV nicht als Auslaufmodell:

Der souveräne Nutzer braucht einen starken Orientierungssinn, damit er
im anschwellenden Medienlärm sein Ziel nicht verliert. Solcher
Massen-Individualverkehr in zunehmend instabilen Umgebungen wird
einigen zu viel sein. Sie werden Verwirrungen vermeiden, lieber ins
Sofa sinken und sich berieseln lassen. Der digitale Graben, der sich
hier auftut, ist allerdings kein unabwendbares Schicksal. Es braucht
nur die Bereitschaft des Einzelnen, auf die Seite der emanzipierten
Konsumenten zu springen. Abgesehen davon: Wer will zwischendurch nicht
ins Sofa sinken?

Weitere NZZ-Artikel von heute zum Thema:

Den Hinweis verdanke ich dem Perlentaucher.