Oettinger. Oder: Warum die wohlfeile Kritik in die Irre geht

Am kommenden Wochenende tritt die neue EU-Kommission ihr Amt an. Und damit Günther Oettinger die Nachfolge von Neelie Kroes als Kommissar für die Digitalwirtschaft. Diese Personalie hat insbesondere in der Szene viel Spott und heftige Kritik geerntet.
Meistens geht es dabei um die vorgeblich mangelnde oder angeblich notwendige Fachkompetenz des künftigen Digitalkommissars. Dass Günther Oettinger nach eigenem Bekunden „täglich online“ ist und sich via iPhone selbst Termine in den Kalender schreibt, solche Petitessen dienen dann als Nachweis fehlender Kompetenz.


Doch halt – welche Kompetenzen braucht ein Spitzenpolitiker tatsächlich? Muss ein Verteidigungsminister selbst in der Bundeswehr gedient haben? Muss ein Wirtschaftsminister selbst ein Unternehmen geführt haben? Offensichtlich nicht.
Für das Fachliche halten Ministerien und EU-Behörden ganze Stäbe von Mitarbeitern vor. Minister und Kommissare sind hingegen Experten der Macht. Ihre Aufgabe ist es, dort zu entscheiden, wo die Grenzen der Fachkenntnis erreicht sind, wo Fragen der politischen Macht und der gesellschaftlichen Werte beginnen.
Jeder Spitzenpolitiker wird schon aus Gründen der Machterhaltung auf die Fachkenntnis seines Stabes vertrauen. Sein Job ist nicht, es besser zu wissen als die Experten in seinem Hause. Er muss dort entscheiden, wo die Experten mit ihrem Latein am Ende sind, wo es mehrere fachlich gut begründete Meinungen gibt, wo es auch unter Fachleuten schließlich heißt: Das muss politisch entschieden werden.
Das ist das Geschäft der Politik, dafür brauchen wir Politiker. Ob sie nun einen guten Ruf haben oder nicht, einer muss den Job halt machen. Und manchmal ist es dafür sogar vorteilhaft, sich nicht allzu tief in den Niederungen des Fachlichen verstrickt zu haben.