in next12, Post-Digital

Post-digitale Monster

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Post-digital Monsters“ hieß eine Ausstellung, die Mitte April im Rahmen der Pictoplasma im Kunst- und Projektraum Sur la Montagne in Berlin stattfand. Sie zeigte seltsame Kreaturen, die in ihrer Ästhetik irgendwie digital anmuten, aber aus allerlei durchaus analogen Materialien bestehen.

Was wäre, wenn die digitale Welt mit ihren Einsen und Nullen plötzlich der Vergangenheit angehörte? Wenn es statt Bildschirmen wieder Leinwände und statt Pixeln echte Punkte gäbe? Wenn ein neues, post-digitales Zeitalter anbräche?Vermutlich würden wir ihr hinterher trauern, unserer altbekannten binären Bildlogik. Uns in Retrowellen schwimmend der guten alten Zeiten erinnern. In einer solchen Welt wären die Dinge wieder zum Anfassen und würden wohl trotzdem irgendwie digital anmuten…

Post-Digital scheint eine gewisse Nähe zu diversen Retrowellen zu haben. So diagnostiziert auch Marco Settembrini di Novetre im FAZ-Blog „Deus ex Machina“:

Angesichts sich überlappender Retro- und Nostalgiewellen scheint es fast, als wäre für weite Teile der heutigen Gesellschaft hinten das neue vorne.

Ist Post-Digital also retro, wieder analog oder gar, um im Agenturjargon zu sprechen, klassisch? Keineswegs. Benedikt Köhler stellte schon vor zwei Jahren fest:

Der Begriff ist wie die meisten Post-Begriffe äußerst anfällig für Missverständnisse, ja scheint sie sogar herauszufordern. Postdigital heißt gerade nicht, dass digitale Technologien und digitale Medien heute keine Rolle mehr spielen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die tiefe und nachhaltige Durchsetzung der Digitalisierung ist eine notwendige Bedingung für den postdigitalen Zustand.

Nun werden, speziell in Deutschland, noch jede Menge Nachhutgefechte geführt, die zuweilen sogar den digitalen Revolutionären schlaflose Nächte bereiten. Die Stichworte lauten Leistungsschutz- und Urheberrecht, ACTA, GEMA und dergleichen.
Hier wird bisweilen so getan, als ließe sich die Digitalisierung mitsamt ihren Folgen auch wieder rückgängig machen, wenn es nur einigen mächtigen Akteuren in den Kram passt. Das ist jedoch unwahrscheinlich. Digitale Technik ist schon seit Jahrzehnten auf ihrem unaufhaltsamen Siegeszug. Wer das nicht glaubt, kann ja mal ab Dienstag nächster Woche versuchen, mit einem analogen Satellitenreceiver deutsches Fernsehen zu empfangen. Post-digitales Fernsehen, sozusagen.
Eine erfolgreich durchgesetzte Innovation erkennt man daran, dass sie aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwindet, weil sie schlicht selbstverständlich geworden ist. Nur eine Störung oder ihr völliges Fehlen wird dann noch wahrgenommen. Die Digitalisierung hat in vielen Lebensbereichen diesen Zustand bereits erreicht. Das post-digitale Zeitalter beginnt.

Postdigitalismus beschreibt den Zustand der Gesellschaft nach der erfolgreichen Digitalisierung wesentlicher Lebensbereiche von der Wirtschaft über die Bildung und Kultur bis zur Politik. Die zentralen Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen sind mittlerweile digitalisiert. Und dies nicht nur in den westlichen Industriegesellschaften, sondern zunehmend auch in sogenannten „Entwicklungsländern“, die häufig ohne den Zwischenschritt von Festnetzinfrastrukturen direkt in das mobile Zeitalter einsteigen. Postdigitalismus bezeichnet die wahrgenommene Selbstverständlichkeit dieser Technologien. Die sogenannten „digitalen Eingeborenen“, also die nach 1980 geborenen Alterskohorten, die keine Welt ohne PC, Mobiltelefon und Internet kennen, sind die erste postdigitale Generation.

Die NEXT Berlin steht in diesem Jahr unter dem Motto Post-Digital. Tickets sind noch erhältlich.