Wenn Google in Paris sein neues Hauptquartier für Frankreich, Südeuropa, Afrika und den Nahen Osten eröffnet, dann ist selbstverständlich Präsident Sarkozy dabei. So geschehen im vergangenen Dezember. Wenn in Hannover die CeBIT eröffnet wird, dann sprechen Kanzlerin Angela Merkel und Google-Chairman Eric Schmidt.
Wenn in Hamburg die Social Media Week stattfindet, dann begrüßt selbstverständlich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz die Teilnehmer. Und in Berlin, dem Mekka der deutschen und womöglich auch europäischen Startup-Szene? Dort hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit keine Zeit, wenn ihn einige Protagonisten jener Szene sprechen möchten, um ihm einen Einblick in diese florierende Branche zu geben. Typisch Berlin?
Klar scheint jedenfalls: Berlin hat seinen kometenhaften Aufstieg zur Startup-Hauptstadt nicht dem emsigen Wirken der Standortpolitik zu verdanken. Der Erfolg kam eher trotz denn wegen der Politik. Städte wie Hamburg mühen sich hingegen redlich, ihr Bild aufzupolieren. So verweist die gut geölte Standort-PR via Welt nicht zu Unrecht auf die in Hamburg ansässigen Deutschlandzentralen von Google, Facebook und Airbnb – und auf Twitter, das Gerüchten zufolge bald folgen soll. Gut, Airbnb zählt eigentlich nicht so richtig, weil das im vergangenen Jahr übernommene Startup Accoleo nun einmal in Hamburg ansässig war.
Dieser Standortwettbewerb ist typisch deutsch und eine Folgeerscheinung des Föderalismus wie auch der deutschen Teilung. Jahrzehntelang musste die alte Republik ohne echtes politisches und wirtschaftliches Zentrum auskommen. Berlin ist wirtschaftlich schwach und wächst nur langsam in seine Hauptstadtrolle hinein. Doch im Wettbewerb um digitale Neugründungen gereicht dieser Nachteil zum Vorteil. Mietflächen sind zahlreich und vielfach günstig, die Lebenshaltungskosten niedrig, der Unterhaltungswert hoch. Dagegen ist mit den Mitteln der klassischen Standortpolitik wenig auszurichten, egal ob der Bürgermeister Zeit für Digitales hat oder nicht.
Von Hamburg aus betrachtet bin ich geneigt, mit einem herzhaften „sowohl als auch“ zu schließen. Deutschland wird ein föderales Land bleiben, die Bundesländer werden sich weiterhin in standortpolitischen Scharmützeln beharken, Berlin wird ein attraktiver Standort für Start-ups bleiben. Und auch für Agenturen. Als Hamburger Agentur haben wir inzwischen auch einen Ableger in Berlin. Und nicht zu vergessen: die NEXT Berlin. Die Zentrale bleibt einstweilen in Hamburg.