Kann Google Social? In der Vergangenheit musste man diese Frage verneinen. Nach Orkut, Google Wave und Google Buzz, haftete Google der Ruf an, einfach nicht „social“ zu sein. Es galt: „Schuster bleib bei deinen Leisten“ – soll heißen: Mach weiter Search, denn darin bist du brilliant!
Nun ist dem Internetgiganten mit Google+ ein echter Coup gelungen. Viel Gutes ist darüber schon geschrieben worden. Daher möchte ich die Details des neuen Dienstes an dieser Stelle nicht weiter ausführen, sondern stattdessen die Frage behandeln, was Google+ für Marken bedeutet:
Muss eine Marke dabei sein? Und wenn sie dabei sein muss, was soll sie dort machen? Ist Social Media gleich Social Media und lässt sich die vielleicht schon existierende Facebook Strategie übertragen?
New kid on the block
Das Bewundernswerte an diesem Megakonzern Google ist: Die Bereitschaft Fehler zu machen und daraus zu lernen. Mit Google Plus oder „Google+“ hat Google diese Unternehmenskultur erneut unter Beweis gestellt. Denn seit dem Start der Beta-Phase wird die Fachwelt nicht müde, vergleiche mit den bisherigen Schwergewichten der „Social-Branche“ anzustellen. Wem macht Google+ Konkurrenz – ja wen „killt“ Googles Netzwerk gar? Was sind die Unterschiede zu Facebook, Twitter und Co?
„Point of no return“ für Marken
Bei uns im Planning von SinnerSchrader sprechen wir im Bezug auf Social Media seit einigen Monaten von einem „Point of no return“. Point of no return deshalb, weil der Konsument gelernt hat, dass Marken auf Facebook oder Twitter präsent sind und mit ihm interagieren. Für Marken ist es also Pflicht, Präsenz in diesen Kanälen zu zeigen. Einmal gestartet, gibt es keinen Weg mehr zurück. Die Notwendigkeit einer Strategie für die verschiedenen Social Media Kanäle wird immer größer.
Dass viele deutsche Marken im Bereich Social Media Strategie noch Nachholbedarf haben, zeigt sich daran, dass die verfolgte Strategie oft nur darauf ausgelegt ist, Reichweite zu generieren – also Follower oder Fans. Der einfachste Weg dahin führt über Gewinnspiele und kurzweilige Kampagnen. Ob ein „like“ eines Konsumenten wegen eines Gewinnspiels oder einer Kampagne in Facebook aber eine höhere Verbundenheit mit einer Marke bewirkt, darf auf Grund der austauschbaren Gewinnspielflut bezweifelt werden. Die Erwartungen des Konsumenten enden auch nicht mit dem Ende einer solchen Kampagne. Ein weiteres Problem, dass noch aus den gelernten, klassischen Werbezyklen wie TV seinen Ursprung hat. Es mangelt an einer Strategie oder auch an einer Content-Strategie.
Let’s talk business
Warum jetzt also dieser große Rundumschlag? Google hat angekündigt, dass Google+ in absehbarer Zeit um Businessprofile erweitert wird – also dem Pendant zu den facebook’schen Fanpages. Mit diesem nächsten, notwendigen Schritt hin zu noch mehr Relevanz im Markt der sozialen Netzwerke, stellt Google die Marken dieser Welt vor eine weitere Herausforderung. Was ist anders und was bedeutet das für eine Marke? Da Google sich mit Informationen zu den Businessprofilen noch zurückhält, lässt sich über Details nur sehr vage spekulieren.
Google+ macht aber schon von der Struktur einiges anders als Facebook (für Details empfiehlt sich der Spiegel Artikel von Sascha Lobo). Die offensichtlichsten Unterschiede sind „Circles“ und „Sparks“. In genau diesen beiden Unterschieden liegen auch die größten Herausforderungen für Marken, wenn sie auf Google+ erfolgreich sein wollen.
Plus ist nicht Facebook
Betrachten wir zuerst die Besonderheiten der Circles. Anders als bei Facebook, steht es jedem User frei, einem anderen User zu folgen ohne dass dieser zurückfolgen muss. Freunde bei Google+ sind also weniger Freunde im klassischen Sinne, sondern vielmehr relevante Informationsquellen, sortiert in verschiedene (Themen-) Circles. Ist ein User nicht mehr relevant, kann dieser aus dem Circle gelöscht werden, ohne das es ihm auffällt (mehr Infos dazu).
Wie auch immer die Businessprofile aussehen werden, es ist davon auszugehen, dass sie nach dem System der Circles funktionieren werden. Für Marken geht es also darum, in die Circles der User zu kommen und dort zu bleiben. „Bei Facebook ist es doch das Gleiche!“ könnte man jetzt sagen. Denn auch dort geht es schließlich darum, nicht entfolgt oder ausgeblendet zu werden. Die unangenehme Wahrheit bei Google+ ist jedoch, dass der User auf Gewinnspiele und Kampagnen reagiert, in dem er sich einfach einen Circle nur für eben diese anlegt und die enthaltenen Marken in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Kontakt zwischen Marke und Konsument ist also vergleichbar mit dem eines Schaufensters in der Einkaufsstraße, voll mit Werbung für den Winterschlussverkauf. Der Konsument kommt vorbei, wird im besten Fall zu einer Interaktion bewegt und geht zum nächsten Schaufenster. Letztlich bleibt die Erinnerung an das große, gelbe Schild mit roter Schrift im Schaufenster, und nicht unbedingt an die Marke selbst. Erst recht nicht, wenn die gesamte Straße voll damit ist.
Was für Konsequenzen sich für Marken daraus ergeben, können Sie im zweiten Teil lesen.
Jan-Philipp Jacobsen ist Digital Planner bei SinnerSchrader.