Die dritte re:publica war aus unerfindlichen Gründen, die mit „n“ beginnen und auf „ext“ enden, für mich die erste. Dessen ungeachtet stellte sich schon nach Minuten jenes Gefühl ein, das ich von Klassentreffen kenne. Vom 1. bis 3. April versammelte sich in Berlin eine Szene, die der re:publica nicht ganz zu Unrecht das Etikett einer Bloggerkonferenz einträgt.
Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Konferenzen mit einem solch klaren Fokus können sehr langlebig und überaus erfolgreich sein. Doch der Nachteil ist offensichtlich: Hier beschäftigt sich eine Branche vor allem mit sich selbst. Nach der dritten Wiederholung ist das ungefähr so spannend wie der Versandhandelskongress. Es überwiegt das Befindlichkeitsblogging.
Das Programm ritt ganz überwiegend die Steckenpferde seiner Macher. Das Resultat war jede Menge preaching to the choir. So brilliant Lawrence Lessig präsentierte, so eloquent Cory Doctorow parlierte – im Publikum saß kaum jemand, der ihre Weltsicht, Thesen und Forderungen nicht auch vorher schon teilte.
Die Kontroversen auf der re:publica’09 waren demzufolge die Binnendebatten einer Szene, die sich aus Differenz und Dissens zur Außenwelt definiert. Während dieselbe Außenwelt kaum vertreten war – vor allem nicht auf der Bühne. Die Realität schien nicht angekommen in diesen sonnigen Berliner Apriltagen.
Es ist der Tag, an dem die G-20-Länder eine Reform der Finanzmärkte beschließen und der Nato-Gipfel in Straßburg beginnt, und es ist der Tag, an dem Hunderte Afrikaner auf dem Überweg nach Europa ertrinken. Doch in den etwa hunderttausend deutschen Blogs, die das Internet sekündlich mit Text und Information fluten, findet sich dazu so gut wie nichts. Die Teilnehmer der größten deutschen Bloggerkonferenz „re:publica“, die sich jetzt zum dritten Mal in Berlin trafen, haben andere Prioritäten.
Wir befinden uns inmitten eines ökonomischen Tsunamis. Doch die Wirtschaft war kein Thema auf den Podien. Politik und Staat erleben eine ungeahnte Hochkonjunktur, Banken und Konzerne werden verstaatlicht. Und Peter Schaar sagt zum Thema Datenschutz das, was er immer sagt. Zum Gähnen.
Diese Szene, die sich drei Tage in Berlin selbst feierte, ist sich selbst genug. Sie interessiert sich nicht für den Rest der Welt, und der Rest der Welt interessiert sich nur begrenzt für sie. Die Blogger haben jetzt ihren etablierten Branchenkongress.
Das ist nicht wenig, aber ist das genug?
Es wird verflucht noch mal Zeit, dass die Akteure des Web 2.0, die Social Networker, Twitterer und vor allem die Blogger, von sich ablassen, die selbstbeschworene Macht ausüben und ihren Fokus auf die Probleme unserer Zeit richten!