Micropublishing in Theorie und Praxis. Heute: Wo sind meine Kumpanen?
Micropublishing unterscheidet sich vom Bloggen nicht nur durch die Kürze. Ohne Kontext ist alles nichts. Und der Kontext sind die Followers, um es in der Terminologie von Twitter zu sagen. Früher hießen sie Friends, aber das war missverständlich, denn schließlich ist nicht jeder Kontakt auch gleich ein Freund.
Treten wir gedanklich kurz einen Schritt zurück. Bloggen unterscheidet sich vom herkömmlichen Publizieren im Netz durch die Möglichkeit zu kommentieren. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Die wesentliche Innovation des Bloggens war, das starre Modell der 1:n-Kommunikation aufzubrechen. Blogger haben einen eingebauten Rückkanal von ihren Lesern. (Ja, ich weiß, Leserbriefe gab es auch früher schon.)
Beim Bloggen bleibt das Kommunikationsverhältnis trotzdem asymmetrisch. Einer legt vor, viele geben ihren Senf dazu. Twitter und Konsorten tendieren zu symmetrischen Kommunikationsverhältnissen. Einer der drei führenden Twitterer liest nahezu alle derer, die ihn lesen. Und das sind mehr als 5.000 (!). Auch hier gibt es Ausnahmen, insbesondere am oberen Ende der Twittercharts.
Es ist also wichtig, wo die Leute mikropublizieren, die ich lesen möchte und gern als meine Leser hätte. Das ist wichtiger als die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Micropublishing-Plattform. Denn was nutzt mir die schönste Software, wenn dort kein Mensch publiziert, der mich interessiert und der sich für mich interessieren würde?
Früher oder später wird dieses Problem an Bedeutung verlieren. Man vergleiche die heutige Situation mit der Frühphase des Bloggens, kurz nach der Jahrtausendwende, als unterschiedliche Blogplattformen völlig inkompatibel waren, RSS ein Nischenphänomen und der Trackback noch nicht erfunden war. Noch heute gibt es plattformgebundene Communities (Antville, LiveJournal, Blogger.com etc.), die ihre Wurzeln in jenen Tagen schlugen.
Welche Alternativen gibt es zu Twitter? Recht verheißungsvoll ist Jaiku. Dort kann ich sehr elegant diverse RSS-Feeds importieren und damit für mehr Ausstoß sorgen. Jaiku könnte ein Drehkreuz für sämtliche digitale Lebensäußerungen sein. Allerdings habe ich dort erst 14 Freunde und mich bis jetzt nicht so recht darum gekümmert.
Ähnlich schaut es bei Pownce aus. Pownce kann nicht nur Kurznachrichten, sondern auch längere Texte, Dateien verschicken und Termine verwalten. Außerdem ist Pownce feingliedriger als Twitter bei der Auswahl der Adressaten jeder einzelnen Nachricht: Sie kann öffentlich, nur für meine sogenannten Freunde bestimmt oder auch an einzelne Leute adressiert sein.
Bei Pownce habe Brabblr. Dort zähle ich momentan ganze zwei Freunde und kann derzeit keine Einladungen verteilen.
Der Brabblr brabbelt meine Kurznachrichten auch gleich an verschiedene andere Microbloggingdienste. Momentan wären das neben Twitter und Jaiku auch Frazr, Wamadu und Mambler, die ich allerdings bis jetzt nicht benutze. Aber warum nicht? In Kombination mit dem Brabblr würde das meine Microblogging-Reichweite sicher dramatisch erhöhen.
Zum Universum des Micropublishing gehören auch die Statusnachrichten von Facebook oder StudiVZ. Auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht. Weitere Alternativen hat Mashable.
Woher weiß ich, wer was nutzt? Das ist eines der ungelösten Probleme der heutigen Microbloggingwelt. Ansatzpunkte zur Lösung bieten die RSS-Importmöglichkeiten von Jaiku oder auch Plaxo Pulse, Metadienste wie der Brabblr und nicht zuletzt Facebook, wo viele Microbloggingdienste schon mit Anwendungen präsent und damit sichtbar sind.
Dennoch bleibt viel Handarbeit dabei. Und war es im Zeitalter des Macrobloggings nur der RSS-Reader, der gefüttert werden wollte, so sind es jetzt gleich ein paar Dutzend verschiedener Microbloggingdienste. Ist mein sozialer Kontext vielleicht transportabel zu machen?
Das bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit werde ich mich etwas näher mit dem Brabblr befassen und mich bei Frazr, Wamadu und Mambler registrieren. Dazu demnächst mehr an dieser Stelle.