Wozu Versandkosten?

Letzte Woche bekam der Fischmarkt Post von Tchibo:

From: Tchibo Newsletter [mailto:Newsletter@tchibo.de]
Sent: Thursday, March 16, 2006 12:41 PM
To: info
Subject: Nur noch bis Montag versandkostenfrei bestellen!

Liebe Frau […],
 
verpassen Sie nicht unsere Schnupperwochen bei Tchibo.de: Nur noch bis Montag, den 20. März 2006, liefern wir Ihnen Ihre erste Bestellung versandkostenfrei!* Sie sparen 3,95 Euro! […]

* Nur für Ihre erste Bestellung bei Tchibo direct. Pro Haushalt nur eine versandkostenfreie Lieferung. Der Gutschein ist nur gültig bei einer Bestellung im Internet und gilt nicht für Bestellungen aus dem Tchibo Blumen-Shop.

Warum Tchibo diese Aktion fährt, sollte klar sein. Doch warum kassiert Tchibo überhaupt Versandkosten, wenn auch in eher symbolischer Höhe?

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Die Höhe oder die schiere Existenz von Versandkosten gehört bekanntlich zu den häufigsten Gründen für den Bestellabbruch. Ein echter Warenkorbkiller ist es, den Kunden erst auf dem Weg zur Kasse die Versandkosten mitzuteilen, nachdem er schon seine vollständigen Adressdaten eingegeben hat. Falls die Versandkosten von der Postleitzahl abhängig sind, dann muss die PLZ zuerst abgefragt werden, damit der Kunde den Endpreis kennt.

Dass es auch ohne Versandkosten geht, beweist Amazon seit Jahren. Nach Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg und in die Schweiz wird kostenlos geliefert – ab einem Bestellwert von 20 Euro. Nur so kann die Kalkulation aufgehen. Das ist die erste und wichtigste Funktion der Versandkosten: Sie sorgen für eine akzeptable Mindestbongröße, indem sie Kleinstbestellungen mit einem spürbaren Preisaufschlag belegen.

Diese Aufgabe kann bei Waren, die sich preiswert versenden lassen, auch ein Mindestbestellwert erfüllen. Alle anderen Waren liefert auch Amazon nicht kostenfrei:

Ausgenommen sind einige Produkte aus den Bereichen Elektronik & Foto sowie Küche, Haus & Garten und Spielwaren, die wir auf Grund der Beschaffenheit des Produktes und eines damit verbundenen Aufwands nicht kostenfrei liefern können.

Amazons kostenlosen Buchversand ab 0 Euro haben wir der Buchpreisbindung zu verdanken. Dadurch ist die Marge im Buchhandel so groß, dass Amazon davon locker die Versandkosten decken kann. Die Unterdeckung bei Kleinstbestellungen – Bücher für 3 Euro oder weniger – dürfte kaum ins Gewicht fallen.

Wenn die Wettbewerbssituation sich ändert, könnte auch Amazon wieder Versandkosten für Kleinbestellungen einführen. Es gab sie schon einmal, bis Amazon sie zunächst befristet und schließlich dauerhaft wieder abgeschafft hat. Wir werden sehen.

Der ewige Warenkorb

amazon_warenkorb.jpg Amazon macht es seit Jahren vor: Was im Warenkorb landet, bleibt dort solange, bis der Kunde es wieder löscht – oder bestellt. Denn warum sollte ein Versender annehmen, dass sein Kunde nur deshalb das Kaufinteresse verloren hat, weil er nicht sofort bestellt hat? Deshalb bietet Amazon auch noch die Möglichkeit, Artikel aus dem Warenkorb „für einen späteren Einkauf“ zu speichern, notfalls jahrelang.
Doch die meisten, nicht so erfolgreichen Online-Shops denken offensichtlich anders. Und selbst bei umsatzstarken E-Commerce-Veteranen kann es passieren, dass eine kurze Unterbrechung die Session abreißen lässt – und damit der gut gefüllte Warenkorb im digitalen Orkus landet. Bei Tchibo – nach wie vor auf Intershop Enfinity basiert – verfällt der Warenkorb auch für angemeldete Kunden nach zwei oder drei Stunden.
plus_timeout.jpg Plus verkündet im Brustton beamtenhafter Überzeugung:

„Aus Sicherheitsgründen haben wir Ihren Warenkorb (‚Virtueller Kassenzettel‘) nach einer Zeitüberschreitung geleert. Wenn Sie weiter einkaufen möchten, legen Sie bitte erneut die von Ihnen gewünschten Produkte in den Warenkorb.“

Schönen Dank auch. Diese Sicherheitsgründe würde ich gern mal persönlich kennenlernen.
Wie es anders und besser geht, zeigt der E-Commerce-Titan Quelle mit einer E-Mail-Kampagne, die im vergangenen Jahr einen Mailingtage-Award in Silber einbrachte. Im Rahmen dieser Kampagne erhielten Kunden, die ihren Einkauf nicht abgeschlossen hatten, eine Erinnerung per Mail. Damit wurden sie darauf aufmerksam gemacht, dass sich noch Artikel im Warenkorb befinden, versehen mit einem direkten Link zum individuellen Warenkorb. Die Response-Rate war, wen wundert’s, großartig.