Durchgeknallt und deshalb erfolgreich

Matthäus Krzykowski und Stefanie Budesheim von la Fraise erklären im Nach-next07-Interview, was sie von anderen unterscheidet.
Hier der Vortrag „La Fraise versus Charitees: Nicht das T-Shirt, die Botschaft ist das Produkt“, in dem Matthäus Krzykowski und Anton Jurina von Charitees sich auf der next07 behutsam streiten:

Bei La Fraise werden täglich 100-150 T-Shirt-Designs eingereicht. Wer reicht die ein, und wie geht es dann weiter?
Stefanie: Die T-Shirt-Designs kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen – von Designschulen und Top-Leuten aus den Agenturen bis zu Hobby-Designern, da gibt es natürlich eine riesige Diskrepanz. Es gibt fixe Vorschriften für die Designs, gewisse Größen etc., aber maximal ein Prozent hält die Vorschriften nicht ein.
Matthäus: Wir bekommen die Designs, und nationale Blogger wählen dann eine Anzahl von Designs aus, die sie in den Wettbewerb stellen. Dann wird sieben Tage lang gevoted. Die Gewinner-Designs werden hergestellt. Im letzten halben Jahr haben übrigens 1.100 unterschiedliche Designer Vorschläge eingereicht. Ein Drittel der Leute, die jeden Monat Designs einreichen, sind neu dabei, das ist wirklich super lebendig. Also: Ganz unterschiedliche Leute machen bei La Fraise den Content. Viele Leute stellen morgens als erstes ihren Apple an und gucken, welche neuen Designs es bei La Fraise gibt.
Matthäus, im Vortrag hast Du gesagt, die Digitalisierung von Kreativität habe einen unglaublichen Effekt. Welchen?
Matthäus: Das begreife ich in erster Linie technisch: Bei La Fraise gibt es viele unterschiedliche junge Designer – die haben z. B. von ihrer Vorstadt aus Zugriff auf alle Mittel und Möglichkeiten, haben Internet, eine Community und eine Peer Group, die sie unterstützt. Typisch ist: Du machst ein halbes Jahr mit, bekommst viele Neins, hast aber durch das Feedback eine große Lernkurve. Das sehen wir, und das ist toll.
„Wir sind durchgeknallt und deshalb erfolgreich.“ Warum?
Stefanie: Wir haben ein relativ unkonventionelles Team und unkonventionelle Motive und scheuen uns nicht vor Konfrontation. Das ist das, was uns erfolgreich macht. Wir scheuen uns nicht, bestimmte Themen im Blog anzusprechen. Wir machen in Blogs das, was sonst keiner macht. Bei unseren Fridays Games machen wir jede Woche neue schräge Sachen, bei denen wir die Leute zur Interaktion auffordern. Das ist einfach ein Knaller. Was uns unterscheidet: Wir sind ansprechbar, wir reden mit den Leuten.
Mal ein Beispiel: Unsere Bloggerin hat neulich geschrieben, dass sie eine Woche zu spät bezahlt worden ist – das zieht natürlich Traffic auf die Seite. Wenn uns Fehler unterlaufen, dann zeigen wir sie. Wir machen unsere Konflikte transparent im Internet. Das wollen die Leute wissen – wie es unter uns geht, und das sehen wir positiv.
Matthäus, was meinst Du damit, dass Ihr mehr Deutungshoheit anbietet? Mehr Deutungshoheit als wer?
Matthäus: Wir ermöglichen gewisse Sachen: Events, an die sich die User erinnern und aus denen sie was ganz Eigenes machen. Zum Beispiel hatten wir mal den Wettbewerb „Kill all Animals“, und die Leute haben diverse Arten überlegt, wie man kleine Tierchen töten kann – die schicken und dann ganz viele Dinge ein, und das nehmen wir auf, egal was. Und die Leute machen was ganz Eigenes draus – da können wir sicher sein. Auf unseren T-Shirts finden sich übrigens auch Kommentare zum Zeitgeschehen wieder, zeitversetzt um ein bis zwei Wochen.
Im next07-Vortrag warst Du der Gewinner, Matthäus – Sascha Lobo hat Dein T-Shirt gekauft und nicht das von Anton Jurina/Charitees. Wie hat Dir der Disput insgesamt gefallen, und wie gegensätzlich sind Eure Companys tatsächlich?
Matthäus: Der Vergleich war eigentlich schwierig – Antons Company freue ich mich noch zu sehen, da sie ja noch gerade aus dem Ei schlüpft. Daher fand ich den Vergleich ein bisschen konstruiert. Das, was wir sicherlich beide machen wollen, ist mehr zu sein als ein T-Shirt-Unternehmen. Es gibt jede Menge unterschiedliche Elemente, wo la Fraise und Charitees das versuchen. Wir als la Fraise sehen jedoch mehr den Kontrast zu H&M und Zara.

Menschen und Maschinen

Warum Social Bookmarking den klassischen Suchmaschinen gefährlich werden kann, erklärt Christian Clawien von Mr. Wong im Nach-next07-Interview. Hier nochmal sein Vortrag „Schwarmintelligenz von Links“.

Ist Mister Wong das deutsche del.icio.us?
Christian Clawien: In Deutschland hatten wir im Mai über zwei Millionen Unique Visitors. Damit haben wir die Konzern-Kollegen von Yahoo, denen del.icio.us ja zu 100 Prozent gehört, weit hinter uns gelassen und sind weltweit mittlerweile die Nummer zwei im Social Bookmarking.
Aber wir wollen uns nicht nur auf den deutschen Sprachraum beschränken. Mister Wong ist mittlerweile auch in China und Russland online, eine spanische und eine französische Version verlassen in Kürze die Closed-Beta-Phase. Ende Juni starten wir dann mit der internationalen Version in Englisch.
Das ist unser Gegenkonzept zu del.icio.us: lokale Sprachvarianten und eine bessere Funktionalität. Unser erklärtes Ziel ist es, del.icio.us binnen zwei Jahren weltweit und nicht nur im deutschen Sprachraum überholt zu haben.
Warum beurteilen „echte Menschen“ Informationen und Inhalte intelligenter als Google & Co. ?
Eine Maschine kann schwer interpretieren. Googles Pageranking ergibt sich nach der Anzahl der Verlinkungen, nach der Aktualität. Die genauen Rankingkriterien sind ein Geheimnis. Der Hauptschwerpunkt liegt auf der Verlinkungsdichte. Die kann man manipulieren, und die gefundenen Seiten müssen nicht unbedingt gut sein.
Bei Mister Wong bookmarken die Leute, was sie selber gut finden, ihre persönlichen Favoriten. Menschen können die Relevanz von Websites besser beurteilen als Maschinen.
Kann Social Bookmarking eine echte Alternative zu klassischen Suchmaschinen werden?
Für zahlreiche Themen ist es das schon: Musik, News, Software, Bilder, Videos. Bei uns gibt es 1,8 Millionen Bookmarks, und wenn man über die Suche geht, findet man viele gute Websites. Die Themenvielfalt ist so groß wie die Menge der Nutzer, die gerade mitmachen.
Nehmen wir das Beispiel Heuschnupfen: Gebe ich „Heuschnupfen“ bei Google ein, werden mir Medikamente angezeigt. Bei Mister Wong bekomme ich Tipps gegen Heuschnupfen. Der Long Tail ist riesig! Auch wenn zu Nischenthemen nur wenige Bookmarks drin sind, werden die dann auch gefunden.
Schwarmintelligenz von Links – was ist das?
In vielen Bereichen gibt es eine Weisheit der Massen. Zum Beispiel, wenn in Städten Wege angelegt werden und die Leute doch ihre eigenen Trampelpfade bilden, weil die Wege unklug angelegt sind. Da wird mit den Füßen abgestimmt, welcher der bessere Weg ist.
Das Witzige ist, dass die Leute das unabhängig voneinander tun. Im Web entwickelt sich daraus eine kollektive Intelligenz, wie wir sie von Wikipedia her kennen.

Der Nutzer findet wieder statt

„Targeting“ heißt das Zauberwort, um an die großen Budgets der Markenartikler ranzukommen – sagt Frank Wagner von nugg.ad. Das wollten wir genauer wissen. Vorab Wagners next07-Vortrag zum Thema, wie man Klicks nicht nur zählt, sondern auch versteht:

Warum stellt Behavioral Targeting die Welt vom Kopf auf die Füße?
Frank Wagner: Werbung wird vor allem über Umfelder gebucht. Wenn ich eine Zielgruppe erreichen will, suche ich mir den Kanal aus, wo ich sie am wahrscheinlichsten zu erwarten habe. Das ist ein Umweg. Werbung soll ja für Menschen gemacht werden und nicht für Umfelder. Vor langer Zeit war das schon mal eine Selbstverständlichkeit. Jede Marktfrau musste sich früher auf ihre Kunden einstellen und nicht auf das Umfeld „Markt“. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein – das haben die Werber aber verlernt. Im Internet funken im Gegensatz zu den Massenmedien die Menschen wieder zurück, also: Back to the Roots! Werbung ist für Menschen gemacht – im Internet geht das wieder, da findet der Nutzer wieder statt.
Wer Websites mittels Werbung monetarisieren will, muss Fruchtjoghurt können. Was ist damit gemeint?
Ein Viertel der Werbebudgets kommt aus dem Bereich FMCG („Fast Moving Consumer Goods“), aber nur ein Prozent der Online-Werbespendings kommt aus diesem Bereich – das muss den Onlinewerbern doch die Tränen in die Augen treiben! Wenn man im Internet Geld verdienen will, muss man auf die Fragen der großen Markenartikler Antworten finden. Man muss an diese Budgets ran. Targeting bietet hierzu Lösungen.
Das mag nicht gerade sexy sein, aber Fruchtjoghurt, Fleischwurst und Haushaltsreiniger haben einfach größere Budgets als die Produkte, die im Internet üblicherweise beworben werden. Fruchtjoghurt macht also nicht nur Mütter und deren Kinder glücklich, sondern ist zugleich der Durchbruch für Werbung und Werber im Internet. Bislang bekommen die dicken Budgets jedenfalls fast ausschließlich die Fernsehsender.
Wie misst nugg.ad die Fußspuren der Leute im Netz?
Wir messen die Internetnutzung über Cookies. „Nutzungsmessung“ heißt dabei noch nicht „Nutzermessung“. Diese Messung kombinieren wir mit Marktforschungsergebnissen, indem wir auf den Websites Befragungen durchführen. „Fußspuren“ heißt im übrigen nicht „Fingerabdrücke“ – wir sammeln keine Adressen oder E-Mail-Adressen, haben auch nichts mit dem viel diskutierten gläsernen Bürger gemein, sondern wir beobachten, hören den Nutzern zu und bemühen uns, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen.
Sie sagen, die Kreation spielt bei all dem nur eine nachgeordnete Rolle. Was ist wichtiger?
Wichtiger als Kreation ist Relevanz. Wenn ich Ihnen ein relevantes Angebot mache, habe ich Ihre Aufmerksamkeit – egal, wie ich es verpacke. Wenn das Produkt stört, nützt auch die beste Kreation nichts, außer dass die Agentur vielleicht in Cannes Ruhm und Ehre gewinnt.
Bitte geben Sie einen kurzen Ausblick auf die Zukunft der Onlinewerbung!
15 Prozent der Zeit, die Menschen mit Medienkonsum verbringen, entfallen auf das Internet. Aus der „Generation MTV“ ist die „Generation MySpace“ geworden. Dem müssen die Werbetreibenden folgen. Und sie sind ratlos, wie sie sich dieser Herausforderung stellen sollen. Targeting ist eine Möglichkeit, den Markenartiklern das Chaos zwischen MySpace, uTube und StudiVZ zugänglich zu machen.

Echtes CRM

Mitreißend, von der Sache überzeugt, frei von der Leber weg: Martin Oetting, trnd, neulich beim Vortrag „Work of Mouth Marketing: Cluetrain WORKS!“. Das war auf der next07:

Das war vorgestern:
Reichweite und Nischeninhalte – zwei Begriffe, die sich beißen?
Martin Oetting: Nein, dank Internet mittlerweile nicht mehr. Wenn man die Nischen im Netz bedient, kann man das weltweit tun – so dass auch Reichweiten wieder interessant werden. Das entsprechend strapazierte Schlagwort „Long Tail“ ist ja in aller Munde.
Mundpropaganda lebt von Meinungsführern – wie identifiziert man die?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder identifiziert man sie – oder man „macht“ sie.
Für den ersten Ansatz gibt es eine ganz pragmatische Möglichkeit – manchmal kann man Meinungsführer durch Beobachtung und schlichtes Nachdenken finden. Es gab z.B. die Idee von Marketingunternehmen, bei speziellen Kampagnen für eine weibliche Zielgruppe mit Friseuren zu arbeiten, weil die ständig mit Menschen im Austausch stehen und allein dank ihrer Kontakte Reichweite aufbauen können.
Meinungsführer definieren sich aber klassischerweise eher durch Fachwissen. Man kann heute im Internet gucken und dort die so genannten Mavens suchen, die sich zum Beispiel durch spezialisierte Internetpublikationen outen.
Dann kann man Meinungsführer zu einem gewissen Grad selbst schaffen. Meinungsführer sind in bestimmte Themen tief eingestiegen, stark involviert. Wenn man kontaktfreudige Leute mit einem Grundinteresse findet, ihnen dann die Möglichkeit bietet, sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen, nehmen sie gewisse Meinungsführereigenschaften an.
Die 35.000 Mitglieder von trnd, also die Basis für Eure Testpersonen – wo kommen die her?
Ganz zu Beginn waren kleine Online-Werbemittel die Initialzündung, ebenso ein Gewinnspiel. Dann hat sich das Ganze vornehmlich über Mundpropaganda entwickelt. Ab und zu probieren wir hier und da außerdem noch kleine flankierende Maßnahmen.
Wie schließt Ihr die Testpersonen aus, die sich nicht eignen?
Wir finden unsere Testpersonen in einem mehrstufigen Verfahren. Zunächst gibt es eine anonyme Befragung, also ohne dass die Marke genannt wird. Da erfragen wir zum Beispiel das Interesse an Zahnpflege oder Wellness. So finden wir heraus, wer sich wie interessiert. Eine engere Auswahl sprechen wir dann an, sich mittels Prosa gezielt bei uns zu bewerben.
Die Betreuung der Testpersonen muss sehr zeitintensiv sein – wie ist das organisiert?
Zunächst: Unsere Testpersonen betreuen kann nur, wer unser Verfahren in- und auswendig kennt. Man kann die Leute nicht mal eben kurz anwerben. Neben unseren Leuten im Haus haben wir mittlerweile zusätzlich freie Mitarbeiter, die unsere Prozesse bestens kennen. Entscheidend ist, dass immer jemand da ist, der zeigt, dass wir aufmerksam und ansprechbar sind. Das ist echtes CRM: Jeder, der eine Frage hat, bekommt auch eine ehrliche ernst gemeinte Antwort, von einem Menschen.
Wieso eignen sich eher physikalische Produkte für Word-of-Mouth-Marketing? Ist Dienstleistern nicht zu helfen?
Dazu muss ich zuerst sagen, dass UNSER Verfahren sich eher für physikalische Produkte eignet. Dienstleister sind besonders stark auf Mundpropaganda und Vertrauensaufbau angewiesen. Das Besondere: Dienstleistungen werden immer in Zusammenarbeit mit den Kunden erbracht. Dienstleister fahren dabei besser, wenn sie ihre Fans direkt selbst kennen lernen, z.B. weil sie sehr schnell antworten müssen, wenn Schwachstellen aufgedeckt werden.
Was physikalische Produkte angeht, ist natürlich viel mehr Begeisterung zu erreichen, wenn Leute eine Kiste mit Produkten nach Hause oder ins Büro geschickt bekommen. Wenn uns allerdings ein Dienstleister fragt und wir feststellen „Alle Achtung, da ist viel Potenzial, so was gibt es noch nicht, da können die Fans mitarbeiten“ – dann sagen wir nicht nein.
Eine Frage zu Deinem Lieblingsthema: Ist Web 2.0 ein Markenkiller?
Da handelt es sich ja vor allem um einen Schaukampf. Die Markenverantwortlichen sitzen oft in einem Elfenbeinturm und leben in ihrer Scheinrealität. Sie definieren Markeneigenschaften, und die Verbraucher definieren sich derweil eine ganz andere Realität.
Nun stellen die Markenverantwortlichen fest, dass es plötzlich negative Mundpropaganda an Stellen im Netz gibt, die jeder finden kann. Sie rufen nach Markenkontrolle und versuchen, dagegen anzugehen. Das ist nicht der Realität entsprechend. Dieser Austausch fand auch schon vorher statt, Konversationen haben auch schon vorher die Marke enorm beeinflusst. Das Web 2.0 macht die Dinge nur sichtbarer. Eindämmen konnte man das früher nicht, und heute schon gar nicht mehr.

Werte statt Macht

Sören Stamer von CoreMedia hat sich zu einem Nachschlag bereit erklärt und uns ein Interview gegeben – zu seinem Vortrag auf der next07, der mich schwer beeindruckt hat. Wer ihn verpasst hat und sich für Themen wie „Transparenz“ und „offene Feedbackkultur“ versus „Kontrolle“ und dadurch erzeugten „passiven Widerstand“ in Unternehmen interessiert – unbedingt anschauen:

Hier das Interview.
Warum erlebt derzeit die gesamte Welt mit Web 2.0 einen Paradigmenwechsel?
Sören Stamer: Kommunikation verbindet und fördert Kooperation und damit Frieden. Vor 100.000 Jahren war die Welt weit aggressiver, viel mehr Menschen sind eines unnatürlichen Todes gestorben. Diese Zahl ist bis heute trotz der Kriege immer weiter zurückgegangen. Heute ist es für einen Menschen sehr unwahrscheinlich, eines gewaltsamen Todes zu sterben. In Krisenregionen ist das sicher leider noch anders. Doch auch diese Zahlen einbezogen, sinkt der Durchschnitt stetig. Die Welt wird also offensichtlich friedlicher.
Meine Hypothese: Der Mensch ist eigentlich gut. Er empfindet Empathie, opfert sich auf, zum Beispiel für seine Kinder, aber auch für andere Menschen. Das gilt, solange man mit diesen Menschen in Kontakt ist. Das, was ich kenne, brauche ich nicht zu fürchten.
Wird die Welt also insgesamt vernetzter, so steigt das Bewusstsein für Menschen in anderen Regionen. Ich meine also, der Welthandel hat insgesamt zu mehr Frieden geführt – wer miteinander handelt, wird sich nicht bekriegen.
Und das Internet geht noch einen Schritt weiter. Es ist das erste Massenmedium, das weltweit milliardenfache Interaktion möglich macht. Das Internet verbindet Menschen in der ganzen Welt. Mit dem Internet haben wir also ein perfektes Medium für den Weltfrieden: Je mehr wir uns vernetzen, desto mehr Frieden und Werteorientierung werden entstehen.
Was bedeutet die Post-Web-2.0-Ära für klassische Unternehmen?
Der Hauptpunkt ist der, dass der Kampf gegen den Paradigmenwechsel nicht zu gewinnen sein wird. Jedes Unternehmen kann zwar versuchen, dagegen zu arbeiten, aber meiner Meinung nach wird man mit dieser Strategie nicht erfolgreich sein können. Traditionelle Modelle mit starren Hierarchien und starker Machtorientierung werden leiden und möglicherweise untergehen, weil die Welt um sie herum sich grundlegend ändert.
Mitarbeiter und Konsumenten haben durch das Medium Internet massiv an Macht gewonnen. Im Internet kann jeder schreiben, was er will – und die Massenmedien greifen diese Informationen aus Blogs mittlerweile sogar oft aktiv auf. Die Unternehmen haben also längst die Kontrolle über die öffentliche Meinung verloren.
Was könnten Unternehmen in der Kritik, wie zum Beispiel gerade die Telekom, zum Beispiel tun, um sich wieder mehr Respekt zu verschaffen? Sie könnten ihren Kunden erlauben, auf ihrer Website ehrliche Kommentare abzugeben, die dann ernsthaft gewürdigt und beantwortet werden. Unternehmen würden sicher mehr Respekt gewinnen, wenn sie aufhörten, gegen Transparenz zu kämpfen. Es geht zukünftig also um die eigene Reputation – von Unternehmen wie auch Individuen, in der Kommunikation und nicht mehr um die Kontrolle der Kommunikation anderer. René Obermann und das neue Führungsteam der Telekom hat in den letzten Wochen aus meiner Sicht deutliche Impulse in Richtung Glaubwürdigkeit und Transparenz gesetzt. Ich bin gespannt auf die daraus folgenden Effekte und würde ihm wünschen, dass diese Impulse von der Öffentlichkeit auch erkannt und aufgegriffen werden.
„Sie können zwar Software entwickeln, aber die nützt Ihnen erst was, wenn Sie die Kultur haben.“ Das sagen Sie als Software-Unternehmer. Warum?
Marshall McLuhan hat gesagt: „The medium is the message“. Ein Medium verändert demnach unser Denken und Handeln. Das Buch an sich, nicht der einzelne Inhalt, hat beispielsweise unsere Art zu denken geprägt – serielle Gedankenketten, Wenn-dann-Folgen etc.
So auch das Internet: Die Kids von heute haben eine ganz andere Art zu denken und zu kommunizieren. Sie denken und kommunizieren viel netzwerkorientierter und weniger seriell.
Mit dem Medium Internet hat sich eine kulturelle Revolution in Gang gesetzt: Selbstorganisation statt starre Hierarchien. Kompetenzen statt Kontrolle. Kooperation statt Kampf. Werte statt Macht. Technologie hat somit in erster Linie einen kulturellen Effekt.
Welche Auswirkungen haben Ihre Erfahrungen mit dem Wandel zum Enterprise 2.0 auf Ihre Software-Produkte?
Der Unterschied ist, dass wir die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Was alle bisher so wichtig fanden, unzählige multimediale Inhalte verwalten zum Beispiel, darum geht es gar nicht. Wir wollen Menschen ermöglichen, dass sie kommunizieren können und gemeinsam kreativ werden. Wir wollen ihnen helfen, dass sie Menschen mit ähnlichen Kompetenzen oder Interessen finden. Die ideale Kommunikationsplattform muss also offen und netzwerkorientiert sein.
Nicht wenige sollten bestimmen, was viele machen – die Struktur sollte nicht von oben vorgegeben werden, sondern so funktionieren, wie die Mitarbeiter das wollen. Beispielsweise haben wir bei uns intern Peer Groups eingeführt, die selbstorganisiert arbeiten. Sie haben sich selbst zu Teams zusammen gefunden, selber Namen gegeben, haben sich selbst Aufgaben gestellt und Muster entworfen, wie sie sich im Intranet darstellen, haben Ablagestrukturen für Projekte vorgeschlagen – die einen geben so den Rahmen vor, andere Mitarbeiter ziehen nach.
Ein tolles Ergebnis einer Peer Group der letzten Tage – in diesem Fall der „True Kangaroos“ – war zum Beispiel ein tolles Poster, das zentrale Informationen über unsere Technologie für die Entwickler bei unseren Kunden und Partnern visualisiert. Das Poster wird uns von Kunden und Partnern fast aus den Händen gerissen. In klassischen Strukturen fehlt leider oftmals dieser Freiraum für Kreativität.
Bitte kommentieren Sie sich kurz selbst:
„Kontrolle im Unternehmen ist eine Illusion.“
Man glaubt immer, dass der Chef ganz oben alles kontrollieren kann. Tatsächlich hat er keine wirkliche Kontrolle daüber, wie Menschen auf die Impulse von oben reagieren. Begeisterung, Leidenschaft und der Glaube an ein gemeinsames Ziel kann man nicht von oben vorgeben. Das erleben die Firmen auch, die Entscheidungen mit Macht von oben durchsetzen und nur passiven Widerstand damit erzeugen. „Jetzt seid mal motiviert!“ – das ist wohl eher eine Illusion.
„Transparenz tut nicht weh.“
Über kritische Sachen wie unangenehme Wahrheiten oder Kritik an der Führung darf man in Unternehmen angeblich nicht reden. Wenn man allerdings eine Managementsitzung vor den Augen der anderen macht oder sich öffentlich und ernsthaft der Kritik stellt, gewinnt man sogar was. Die Leute haben ja sowieso eine Meinung über mich – also können wir die auch offen diskutieren.
„Es ist nicht nur die Welt, die wir verbessern – es macht auch ökonomisch Sinn.“
Was ich so sage, ist nicht nur esoterisch und „nett “ – das Gegenteil ist der Fall: Kreativität entsteht, wenn die Leute sich trauen, ihre Meinung zu vertreten und Fehler zu machen. Als Firma wird man viel besser. Die ökonomischen Auswirkungen halte ich für immens.
In einer Welt, die sich immer schneller wandelt und komplexer wird, brauchen wir vor allem Kreativität. Und damit kommen wir wieder zurück zur Frage nach dem Bestehen der Unternehmen: Damit die Firmen kreativer werden, brauchen sie eine wirkliche Vertrauenskultur, und die entsteht halt nur über offene und ehrliche Kommunikation.

next07: Die Kongressvideos

Die eine oder andere Nachfrage hat uns in den letzten Tagen schon erreicht. Hier sind sie nun: alle Vorträge und Panels von der next07 im Video. Viel Spaß und vielen Dank an Sevenload! Und damit verabschiede ich mich in ein entspanntes Wochenende.

Critique et Terreur

Kritik kommt von altgriechisch kritein, „[unter-]scheiden, trennen“. Der Kritiker braucht Kriterien, mit deren Hilfe er unterscheiden kann – das Gute vom Schlechten zum Beispiel, oder das Erfolgreiche vom Erfolglosen.

Unternehmen aller Art haben ein hartes Erfolgskriterium, das sich am Gelde bemisst. Oder genauer: daran, wie viel am Ende, wenn alle Rechnungen beglichen sind, noch übrigbleibt. Sie geben ihr Geld nur aus, wenn sie Rückflüsse erwarten können, die höher sind als die Ausgaben.

Unternehmerische Bedenkenträger kommen immer dann ins Spiel, wenn diese Erwartung nicht realistisch erscheint. Dann zögern sie mit dem Geldausgeben, und die Macher bekommen nicht die Mittel in die Hand, die sie gern hätten.

Die Aufbruchstimmung vom Vorjahr ist vorbei. Das war auf der next07 klar zu sehen. Doch gibt es jetzt tatsächlich eine Kluft „zwischen dem kleinen gallischen Dorf voller Visionäre und dem Römischen Reich der Bedenkenträger in ihren von Firmenpalisaden umzäunten Parallelwelten“, wie Oliver Gassner in Telepolis schreibt?

Nein! In den Unternehmen herrscht weiter Aufbruchstimmung, bestimmt die Lust am Internet, an der Kommunikation mit dem Konsumenten das Bild. Zu Bedenkenträgern sind indes die Blogger geworden. Der Fall Shoppero zeigt das überdeutlich.

Shoppero ist ein Qype für Produkte, das seine Autoren an den Werbeerlösen beteiligt. Eigentlich ganz einfach und vor allem eine Antwort auf die Frage, was denn die Nutzer auf den ganzen sozialen Netzwerkplattformen von ihrem Engagement haben (außer Ruhm, Ehre und Karmapunkten).

Geld ist prinzipiell keine schlechte Sache. Man könnte zugespitzt sagen: Selbst wenn Beiträge bei Shoppero nur deshalb geschrieben werden, um damit den Abverkauf irgendwelcher Produkte zu fördern, ist das kein Problem – solange es verkauft. Das nennt sich dann wohl Social Commerce.

Dabei bleibt allenfalls der neue Spitzenwert Authentizität (Bolz) auf der Strecke, dem sich die Bloggerszene mit Haut und Haar verschrieben hat. Doch was ist Authentizität anderes als hochselektive Wahrnehmung, als der zum Prinzip erhobene blinde Fleck?

Jede Beobachtung hat ihren blinden Fleck. Blogger jedoch machen diese Art von Blindheit, die ins Extrem getriebene selektive Wahrnehmung zum Prinzip. Eine Kunstfigur wie Don Alphonso lebt genau davon. Hinter dem wortreichen Gestus der Allwissenheit, hinter der aufs Höchste gesteigerten Subjektivität steckt die blanke Realitätsverweigerung.

Don Alphonso, das alter ego von Rainer Meyer, existiert nur im Netz. Die Figur funktioniert nur digital. Im echten Leben kann Meyer diese Rolle nicht ausfüllen. Und folgerichtig bleibt er Ereignissen wie der re:publica oder der next07 fern. Was dort geschieht, will und kann er nicht wahrnehmen. Muss er auch nicht. (Auf „vielen Kongressen“ war er jedoch, siehe unten.)

Was beim Don mit seiner messerscharfen Intelligenz und klassischen Bildung noch seinen intellektuellen Reiz hat, ist bei seinen Adepten eher peinlich. Die jakobinische Gebärde des Don ist witzig, aber die heraufziehende Terrorherrschaft eines marodierenden Mobs macht keinen Spaß mehr. Es wird Tote geben.

Worum geht es?

Es geht also um menschliche Beziehungen. Die sind langfristig, man muss auf idealerweise auf immer denken, und nicht nur auf drei Tage oder bis zum nächsten Kommentar. Denn die Beziehung wird es immer geben, und wer die einmal ruiniert, wird lange daran zu kauen haben, und muss froh sein, wenn alles, was man da reingesteckt hat, am Ende gerade mal einem Gefühl der Wurschtigkeit weicht.

Man muss Jens Kunath nicht mögen, schlechte AGB sind schlechte AGB und Sicherheitslücken sollen nicht sein – das ist alles richtig. Aber kein Grund, mit dem Fallbeil durch die Lande zu ziehen. Es sei denn, es ginge nur um Terror, notdürftig mit dem Mäntelchen der Reinheit bedeckt.

Der Konsument hat die Macht bereits übernommen. Er wird auch die jakobinische Schreckensherrschaft hinwegfegen. Der 28. Juli kommt. Die Frage ist nur, in welchem Jahr.

Warum geht mir schon den ganzen Tag so ein Lied von den Ärzten im Kopf herum?

Starter und Bedenkenträger

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Ein Kongress wie die next07 ist vor allem eines: eine riesengroße Kommunikationsveranstaltung. Unser mehr oder weniger offensichtlicher Plan war es, wie schon im letzten Jahr sehr unterschiedliche Gruppen in einem großen Raum miteinander ins Gespräch zu bringen: die Macher, die Kreativen, die Techniker, die Berater mit den Netzwerkern, den Bloggern, den Unternehmern und den Startern, mit den Theoretikern und den Bedenkenträgern.

Und das scheint auch gelungen. Diese Publikumsmischung bringt es dann mit sich, dass nicht jeder im Programm nur Neues hört, nicht nur unter Seinesgleichen bleibt und sich am Ende womöglich – o Schreck – noch mit Leuten unterhält, die völlig anderer Meinung sind, und über Themen, mit denen man sich gar nicht befassen wollte.

Den einen geht es zu viel ums Business, den anderen zu wenig. Alle fühlen sich ausreichend mit Getränken, Häppchen und WLAN bemuttert – und so wie der Event letztes Jahr die Aufbruchstimmung offen gelegt hat, legt er in diesem Jahr die Kluft bloß zwischen dem kleinen gallischen Dorf voller Visionäre und dem Römischen Reich der Bedenkenträger in ihren von Firmenpalisaden umzäunten Parallelwelten.

Diese Kluft, wie sie Oliver Gassner in Telepolis diagnostiziert, etwas zu verkleinern – das war die Idee für die next07. Oder, falls das nicht geht, wenigstens mal darüber zu reden. Unterschiedliche Sichten auf das Web zusammenzubringen.

Und die aktuellen Spielarten der gerade einmal zwei drei Geschäftsmodelle, die es im Web überhaupt gibt, zur allgemeinen Besichtigung freizugeben: Werbung, Dienstleistungen und Transaktionen. Die Medien leben von der Werbung, die Marken brauchen sie wie der Fisch das Wasser. Ob E-Business oder Me-Business – es bleibt Handel oder Vertrieb. Und in den Parallelwelten blüht beides alles: Werbung wie auch (spiel-)geldvermittelte Transaktionen und Dienstleistungen.

Neu sind nicht die Geschäftsmodelle – wie gesagt, es gibt nur zwei drei. Neu ist, dass der Konsument mit Hilfe des Web die Kontrolle übernommen hat. Wie sich Medien, Marken und Handel darauf einstellen, wie Agenturen ihnen dabei helfen und wer am Ende die Nase vorn hat, das wird nicht nur uns nicht nur in diesem Jahr beschäftigen. Es bleibt spannend.

Foto: Mario Sixtus

PS: Die Blogberichterstattung lässt sich leicht via Technorati nachlesen. Ein Lese-Muss ist Thomas Knüwer.

Alle Macht dem Konsumenten

Alle Macht dem Konsumenten

Geld regiert die Welt. Oder ist es doch der Konsument, der sein Geld ausgibt – und damit bestimmt, was produziert wird? Erfrischend lakonisch sprach Nico Lumma gestern davon, wie die Shoppero-Macher auf der Suche nach den passenden Anreizen für die produktempfehlenden Massen auf das gute, alte Geld verfallen sind.

Mit Geld kann man eine Menge anfangen. Man kann es sparen, man kann es investieren oder einfach ausgeben und dafür schöne Sachen kaufen.

Das Web, nicht erst seit Versionsnummer 2.0, hat die Kräfteverhältnisse verändert. Der Konsument hat die Macht übernommen. Jetzt bestimmt er nicht nur mit seinem Geld, sondern redet auch noch mit und macht Meinung. Und verdient womöglich sogar damit selbst wieder Geld.

Das Aufregerthema der next07 war zweifelsohne das völlig harmlose und geradeaus gedachte Lumma/Kunathsche Shoppero. Zu Recht? Die Aufregung zeigt jedenfalls, dass die Debatte in diesem Jahr endgültig beim Gelde angekommen ist.

Das ist gut so, denn einer muss auch im Web x.0 am Ende die Rechnung bezahlen. Und das ist normalerweise in einer funktionierenden Marktwirtschaft der Konsument, der souveräne.

Die Welt der Parallelwelten

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Hamburg hat mit Hamburg@work einen sehr aktiven Unterstützer der Games-Branche: Mit dem Projekt Gamecity Hamburg vernetzt Hamburg@work national und international die Branche der digitalen Spieleunterhaltung. Dementsprechend sind wir sehr stolz, den Förderverein als Sponsor für den Themen-Track „Parallelwelten“ gewonnen zu haben. Morgen auf der next07 werden folgende Themen besprochen:
Götz Hamann von der Zeit befragt drei Jugendliche als Kunden von morgen: Wie gehen sie mit verschiedenen Identitäten, virtuellen Welten und sozialen Netzwerken um?
Um „Reales Geldverdienen in virtuellen Welten“ geht es im Vortrag von Dr. Rainer Mehl, Leiter Strategy & Change Consulting, IBM Deutschland und Nordosteuropa.
Rowan Barnett, Redaktionsleiter von The AvaStar, berichtet vom Boulevard-Wochenmagazin Nr. 1 in einer virtuellen Welt.
Und Dr. Andreas Gerber, Geschäftsführer von X-aitment, erläutert, was „Künstliche Intelligenz in der Spielwelt“ zu tun vermag, sprich: Wann wir an Raumschiff Enterprise andocken.
Last but not least möchte ich an dieser Stelle noch auf den Neptun Crossmedia-Award hinweisen. Hamburg@work kürt am 31. Mai die beste Crossmedia-Kampagne des Jahres 2006. Besondere Spannung verspricht das Veranstaltungsformat: Die Finalisten treten vor dem anwesenden Fachpublikum ab 14 Uhr gegeneinander an. Das Plenum aus Marketing- und Kommunikationsexperten bildet gleichzeitig die Jury, die „live“ über ein elektronisches Voting-System den Gewinner des „Neptuns“ auswählt. Wer daran teilnehmen möchte, folge bitte dem Link.