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Wege aus der E-Mail-Hölle

Nach vier Tagen der Trauer und Klage über den Niedergang des einst glanzvollen Mediums Mail ist es nun Zeit für den Blick nach vorn. Gibt es Auswege aus der E-Mail-Hölle?

An dieser Stelle möchte ich nicht mit einem weiteren Aufguss der GTD-Methode langweilen. Das Thema hebe ich mir für später auf, und außerdem folgt meine Mailbearbeitungsroutine, jedenfalls in der Theorie, dem Modell von Meister Allen.

Fischmarkt: Die E-Mail-Hölle

E-Mail wird überbewertet und wird sich nicht durchsetzen, war meine Ausgangsthese am Montag dieser Woche, etwas präzisiert am Mittwoch. Gestern habe ich das Paradox der fragmentierten Kommunikation formuliert: E-Mail verliert seine Bedeutung als Kommunikationswerkzeug, gewinnt aber an Bedeutung als Alert-Box, die mich auf anderswo stattfindende Kommunikationsereignisse aufmerksam macht.

Is e-mail the ultimate social environment, fragt Om Malik. Weniger ein Social Network als ein relationship and interaction manager that aggregates various social web services? Om Malik hasst Mail genau wie ich, aber sieht eine Riesenchance, das Medium neu zu erfinden.

Wie kann das aussehen? Beginnen wir am oberen Ende des Marktes – dort, wo Microsoft mit MS Exchange (2005: 33 % Marktanteil in Unternehmen) und MS Outlook (> 60%) dominiert. Outlook mag manchem indiskutabel erscheinen, jeder hasst es, aber fast jeder hat es auch. So wie einst Lotus Notes/Domino in großen Konzernen der Standard waren und zum Teil auch heute noch sind.

Xobni (rückwärts für Inbox) hat jüngst ein beeindruckendes Plugin für Outlook vorgestellt, das viele der in der Mailflut enthaltenen Informationen verarbeitet und nutzbar macht: Wer sendet mir wann wieviel Mail? Wieviel Mail sende ich wem? Welche Telefonnummern haben meine Kontakte? Welche Dateien tauschen wir aus?

Xobni erschließt so das soziale Netzwerk, das sich in der Mail dokumentiert. (Soweit es sich heute noch dort dokumentiert und nicht schon auf andere Plattformen abgewandert ist.) Spätere Versionen sollen auch andere Quellen wie flickr oder Twitter anbinden – vermutlich alles, was einen RSS-Feed liefern kann.

Xoopit geht den umgekehrten Weg und konstruiert eine Art Meta-Inbox für alle möglichen Webdienste:

The entire system is built to bring all types of web services right into the inbox. You go to the Xoopit web site, sign up, and input either your POP3 or IMAP mail server information. The messages immediately start getting pulled into your Xoopit account. If you have an IMAP server, then the messages reconcile with your original inbox. From here on Xoopit lets you view your inbox (and your attachments) in many different ways.

Take photos, for example. Most of us end up emailing photos (or links to photos) to each other. Links of photos are used to access them, while attachments are used to get a “preview.” The Xoopit GUI makes it easy to see photos on a grid, much like you would on, say, an iPhoto. On social networks photos are shared via some sort of a photo (or slideshow) widget. In this case, the email environment becomes the place where you can experience photos and videos. The next obvious step for Xoopit is to bring in Twitter and other such services into their playground.

Zwei spannende Ansätze, die nur ahnen lassen, welche Innovationsschübe auch das älteste Kommunikationsmedium im Internet noch vor sich haben könnte. Gmail war nur der Anfang.

Einen simplen Rat möchte ich jenen Lesern, die bis hierhin durchgehalten haben, nicht vorenthalten. Er stammt nicht von mir, aber er klingt charmant: Think of e-mail as a river, not a pond.

Der Reiz von Twitter ist, dass ich jederzeit ein- und aussteigen kann. Es ist wie der Agenturticker, den ich 1993 als freier Mitarbeiter beim öffentlich-rechtlichen Radio verfolgen musste, wenn ich als Redakteur für die tagesaktuelle Informationssendung Dienst tat.

Niemand liest alte Agenturmeldungen nach, wenn er eine aktuelle Sendung machen muss. Genauso kann man es auch mit Mail halten: Man reserviere eine Stunde für die Mailbearbeitung, beginne mit der neuesten Nachricht und arbeite sich rückwärts durch. Ist die Zeit vorbei, wird der unbearbeitete Rest gelöscht. Oder, für die Mailhamster unter uns, in einem Ordner abgelegt und nie wieder angeschaut.

Am Ende dieser Woche meldet mein Posteingang 1464 Elemente, davon 610 ungelesen. Ein Schmankerl noch: E-mail ain’t going away